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Die 2024 Mercedes-Benz G-Klasse im ersten Test!

Umfangreiches Update zum 45. Geburtstag: Die 2024 Mercedes-Benz G-Klasse und der 2024 Mercedes-AMG G 63 im ersten Test. Mit dem „G 580 mit EQ Technologie“ wird nun erstmals auch eine rein elektrische Variante angeboten. Rund um das südfranzösische Montpellier durfte ich bereits alle Motorisierungen fahren.

2024 Mercedes-Benz G-Klasse: Geht mit dem Strom

Mehr als 500.000 Mercedes-Benz G-Klassen hat Magna in Graz seit Produktionsbeginn 1979 gebaut. 400.000 davon sollen laut Aussage von Mercedes-Benz auch heute noch weltweit unterwegs sein. Das zeigt zum einen wie solide DER Geländewagen aus der Steiermark ist, und erklärt zum anderen die stabile Preislage der Gebrauchten.

Ob dies für die im Sommer 2024 startende, neue Generation auch der Fall ist, wird sich zeigen. Mit ihr wagen sich die Stuttgarter in unbekanntes Terrain vor und gehen im wahrsten Sinne mit dem Strom. Denn erstmals in der Geschichte des G wird eine vollelektrische Variante angeboten und der G 500 verliert den von der Kundschaft so geschätzten Achtzylinder-Benziner. Zwei mutige, aber zugleich notwendige Schritte. Schließlich drückt jede elektrisch statt mit einem Verbrenner ausgestattete G-Klasse den Flottenverbrauch enorm. Zudem kommt keine Modellvariante um eine Teil-Elektrifizierung herum. Zwischen Motor und 9-Gang-Wandler-Automatik sitzt bei allen Verbrennern eine Elektromaschine, die beim Anfahren oder Durchbeschleunigen 20 zusätzliche PS und 200 Newtonmeter Drehmoment beisteuert.

Mercedes-Benz G 580 mit EQ Technologie

Mut macht sich bekanntlich bezahlt und so kann ich nach der ersten Ausfahrt mit der vollelektrischen G-Klasse (ab 146.990 €), die den sperrigen Namen „G 580 mit EQ Technologie“ trägt, berichten, dass sie kein Halten kennt. Vier genial angeordnete Elektromotoren mit jeweils 108 kW Leistung (macht 432 kW aka 587 PS Gesamtleistung & 1.164 Nm Drehmoment), vier Zweigang-Getriebe und eine ausgeklügelte Software machen den elektrischen G zum fähigsten Elektro-Geländewagen der Welt. Zweifler denken hierbei sicherlich zuerst an Systemkomplexität und Fehleranfälligkeit. Ich nicht. Schließlich stecken sechs Jahre Entwicklungszeit mit ausgiebigen Erprobungskilometern und bestes österreichisches Hirnschmalz drinnen! Und deshalb steht der EQG – wie er so simpel auch hätte heißen können, liebe Mercedes-Benz-Marketer – seinen Verbrenner-Kollegen zumindest im Gelände in Nichts nach. Hat für Laien sogar Vorteile, denn während beim Verbrenner die drei vorhandenen Sperren (vorne, Mitte, hinten) wie gewohnt händisch angewählt werden müssen, erledigt dies im Elektro-Pendant die ausgeklügelte Software mit entsprechenden Motor- und Bremseingriffen vollautomatisch.

Einzig der Low Range-Gang sollte im Elektro-G, den permanenterregten Synchronmaschinen (PSM) zuliebe, vorm Gelände-Ausflug per Tastendruck aktiviert werden. Dann nämlich müssen sich die Wellen der PSM 21 statt 11 mal drehen, damit die Antriebswellen eine Umdrehung machen. Sprich: Mehr Umdrehungen, aber weniger Kraftaufwand und somit weniger Wärmeentwicklung. Nichtsdestotrotz ist der Stator Wasser- und der Rotor Öl-gekühlt. So ausgerüstet bezwingt der G 580 mit EQ Technologie mit einer Akkuladung den Grazer Hausberg Schöckl satte 14 Mal. Dabei überwindet er auf 5,6 Kilometern Strecke fast 700 Höhenmeter, Steigungen bis zu 60 Prozent (31°) und Seitenneigungen von bis zu 40 Prozent (22°). Schon fast ein Kinderspiel, denn proklamiert werden für das Serienmodell 100 Prozent (45°) Steigfähigkeit und 70 Prozent (35°) Seitenneigung.

Und dafür braucht es grundsätzlich nicht einmal spezielle Reifen, wie ich auf der privaten Enduro-Strecke des schicken Weinguts Château de Lastours bei Narbonne selbst erleben durfte. Ja sogar Wasserdurchfahrten braucht man mit dem Elektro-G nicht scheuen. Die Batterie und Antriebseinheiten sind so abgedichtet, dass das Waten durch 85 Zentimeter tiefes Wasser bedenkenlos möglich ist. Das sind 15 Zentimeter mehr als die Verbrenner-Gs!

Damit niemals, wirklich niemals Wasser in die 700+ Kilogramm schwere Lithium-Ionen-Batterie eindringt, ist ihr Gehäuse nicht nur verklebt, sondern zusätzlich auch mit unzähligen Schrauben verschraubt. Sie helfen das schmale, aber lange und hohe Batteriepaket unter Torsion, also Verwindung, dicht zu halten. An den Tausch eines Batteriemoduls will ich dabei lieber nicht denken. Auch weil hierfür wohl die 57,6 Kilogramm schwere und mit mehr als 50 fingerdicken Schrauben gesicherte Unterbodenplatte entfernt werden muss. Die 2,6 Zentimeter dicke Platte schützt nicht nur die Batterie von unten, sondern sorgt auch für zusätzliche Steifigkeit des Leiterrahmens. Schließlich wurde dieser, im G 580, der Batterie wegen, um essenzielle Querstreben beraubt. Übrigens würde eine gleichwertige Stahlplatte drei Mal so viel wiegen, wie diese aus einem intelligenten Kohlefaser-Mix hergestellte Bodenplatte.

Einzigartig: G-Turn & G-Steering

Der Mercedes-Benz G 580 mit EQ Technologie hat noch zwei weitere Features, von denen die Verbrenner-Modelle noch lange träumen werden. Sie nennen sich „G-Turn“ und „G-Steering“. Beim G-Turn drehen sich die linken und die rechten Räder in entgegengesetzte Richtungen und somit kann der G 580 nahezu an Ort und Stelle wenden. Das hilft immer dann, wenn die 13,6 Meter Wendekreisdurchmesser doch einmal zu viel sind. Und ja, die Reifen erfreut dies vor allem auf Asphalt weniger und die Felgen noch weniger, wenn ein Randstein in der Nähe ist. Jedenfalls sind bis zu zwei Umdrehungen im ebenen Gelände am Stück möglich. Für eine Umdrehung braucht es etwa vier Sekunden. Eine flotte Angelegenheit also.

Beim „G-Steering“ wird das kurveninnere, hintere Rad so weit abgebremst, dass sich die Karossiere defacto darum herumbewegt. Auch dadurch wird der Wendekreis verringert. Das erinnert mich in seiner Art und Weise ein wenig an einen humpelnden Hund. Aber genug Gelände-gefachsimpelt, denn wie viele G-Klassen werden wirklich abseits befestigter Straßen bewegt? International betrachtet wahrscheinlich gar nicht so wenige.

400 statt 800 V & 11 statt 22 kW

Die Mehrheit, die die elektrische G-Klasse in Betracht zieht, interessiert sich wohl in erster Linie für ihre Reichweite und die Ladedauer. So zumindest stell ich es mir vor. Und hier trifft die Entwickler der Mercedes-Benz G GmbH das Los der „geringen“ Stückzahl und somit des begrenzten Entwicklungsbudgets sowie die sechsjährige Entwicklungszeit. Als 2017/2018 mit der Entwicklung der elektrischen G-Klasse begonnen wurde, waren 800 Volt-Batteriesysteme kein Thema, daher blieb es bei 400 Volt und somit bei 32 Minuten Ladezeit von 10 auf 80 Prozent bei maximal 200 kW Gleichstrom-Ladeleistung. Anmerkung: Mit 800 Volt wären weniger als 20 Minuten möglich. Beim Laden mit Wechselstrom ist man vorerst auf 11 kW beschränkt. Hier wünschte ich mir 22 kW, um die nutzbaren 116 kWh Kapazität innerstädtisch schneller wieder voll zu bekommen. Das ist aber nur ein Problem von Mitteleuropa, wie mir die Entwickler glaubhaft machen, denn der Rest der Welt kann von dreiphasigem Laden zumeist nur träumen. Man werde das Kundenfeedback dazu genau studieren und gegebenenfalls nachliefern. Stolz sind die Entwickler auch auf die 99 Prozent Wirkungsgrad des antriebsnahen Wechselrichters, der den Gleichstrom der Batterie in den Drehstrom wandelt, den die Elektromotoren benötigen – ein Effizienz-Strohhalm, an den man sich bei einem cW-Wert von 0,44 (Vorgänger-Verbrenner: 0,53) verständlicherweise gerne klammert. Fünf Prozent an mehr WLTP-Reichweite und sogar zehn Prozent bei konstanter Autobahnfahrt holen sich die Entwickler durch das Abkoppeln der beiden vorderen E-Maschinen über die Neutralstellung des Getriebes. Im Fall der Fälle – wenn Schlupf auftritt – sind die beiden Elektromotoren innerhalb von 300 Millisekunden fertig zugeschaltet. Eine krasse Vorstellung, wenn man weiß, dass sie in dieser Zeit auf bis zu 14.000 Umdrehungen pro Minute beschleunigt werden. Bis zu 468 Kilometer Reichweite sind mit dem G 580 nach WLTP möglich. Der WLTP-Verbrauch, also inklusive Ladeverlusten, liegt bei 28,0 kWh/100 km. Mein Verbrauch bei sportlicher Fahrweise zwischen 40 und 50 kWh/100 km. Gut, mit meinem Flug über Amsterdam nach Montpellier, gewinne ich sowieso keinen Öko-Award mehr. Asche auf mein Haupt.

Mehr Reichweite wäre eventuell durch die Nutzung des Low Range-Ganges möglich. Auf diese Idee musste ich die Entwickler aber erst bringen. Für sie gab es bis jetzt nur einen Gang fürs Gelände und einen für die Straße. Dazwischen hin- und herschalten kam bisweilen aus Komfortgründen nicht in Frage. Filou Raphael immer gerne für Ideen zu haben [;-)].

Die Verbrenner: G 450 d, G 500 & Mercedes-AMG G 63

Dafür habe ich mit den anderen Motorisierungen fleißig Sprit gespart. Ehrenwort. Den bärenstarken 367 PS Reihen-Sechszylinder-Turbodiesel des G 450 d (ab 165.090 €) zum Beispiel bewegte ich mit 8,4 l/100 km. Dank 100 Liter großem Tank sind deshalb locker 1.000 und in meinem Fall sogar mehr als 1.100 Kilometer mit einer Füllung möglich. Wahnsinn. Sein Drehmoment liegt bei 750 Nm. Er hat mit den 2,5 Tonnen Leergewicht absolut kein Problem, und gurgelt deshalb immer schön niedertourig im Hintergrund vor sich hin. Und im Gegensatz zum G 580, der ohne Anhängelast auskommen muss, nimmt der Diesel gar bis zu 3,5 Tonnen an den Haken.

Beim G 500 (ab 183.590 €), jetzt ebenfalls mit aufgeladenem Reihen-Sechszylinder statt wie bisher V8, zeigte mir das volldigitale Fahrerinformationsdisplay einen Verbrauch von 12,0 l/100 km an. Respektabel, wie ich finde. Vor allem weil hier bei Bedarf doch 449 PS und 560 Nm Drehmoment zur Verfügung stehen. Auch er hat mehr als genug Schmalz, klingt sogar richtig sportlich und wiegt obendrein noch mal 100 Kilogramm weniger als der Diesel und geht deshalb in 5,4 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, während der Diesel 5,8 Sekunden braucht. 3,5 Tonnen Anhängelast verstehen sich auch hier von selbst.

Mehr Power gibt es im Mercedes-AMG G 63 (ab 294.870 €). Ihm bleibt der doppelt aufgeladene Vierliter-Achtzylinder mit 585 PS und 850 Newtonmeter maximalem Drehmoment erhalten. Er sprintet in 4,4 Sekunden (mit optionalem AMG Performance-Paket sogar in 4,3 s/0–100 km/h) aus dem Stand auf Tempo 100 und braucht sich auch im Gelände dank neuem, vollhydraulischem Fahrwerk, das vollends auf klassische Stabilisatoren verzichtet, genannt AMG Active Ride Control, nicht zu verstecken.

Apropos Display: Head-up-Display gibt es ob des begrenzten Einbauplatzes leider in keiner G-Klasse. Ja, begrenzt stimmt in diesem Falle tatsächlich. Sie sieht zwar groß aus, hält sich aber zumindest bei der Länge zurück. Mit 4,624 Meter ist sie tatsächlich sechs Zentimeter kürzer als ein Mercedes-Benz EQB und sogar einen Zentimeter kürzer als ein Hyundai IONIQ 5. Kaum zu glauben, oder? Erst das optionale Ersatzrad lässt die G-Klasse auf 4,825 Meter Länge wachsen. Für den vollelektrischen G stattdessen empfehlenswert: die 900 Euro teure Designbox, in der sich zumindest die Ladekabel verstauen lassen. Denn Frunk hat der G 580 mit EQ-Technologie keinen.

Photo © Raphael Gürth/autofilou.at

Allen Varianten gemein ist der hohe Grad an Komfort. Bis 110 km/h halten sich sogar die Windgeräusche im Hintergrund. Leider ist weiterhin kein echtes One-Pedal-Driving an Bord. Zum endgültigen Stehenbleiben braucht es das Bremspedal. Immerhin gibt es Schaltpaddels am Lenkrad – im G 580 für die Stärke der Rekuperation. Außerdem kann die G-Klasse neben all den Assistenten, zwar die Fahrspur aktiv halten, nicht aber automatisch Fahrspur wechseln. Mir persönlich ist das egal, dem einen oder anderen Kunden aber vielleicht nicht. Dafür lenkt und bremst die G-Klasse nicht mehr wie ein LKW. Wobei das wahrscheinlich schon mit dem Vorfacelift, also allen G-Klassen ab 2018, der Fall war. Die bin ich allerdings nie gefahren. Ich bekam in Südfrankreich aber ehrenwerter Weise die Möglichkeit sowohl einen 2013er G 63 AMG als auch 1986er 280 GE zu fahren. Beide grandios auf ihre Art und Weise. Übrigens handelt, restauriert und zertifiziert die seit letztem Jahr eigenständige Mercedes-Benz Heritage GmbH sämtliche ältere Mercedes-Benz-Fahrzeuge.

Was die G-Klasse außerdem sehr beliebt macht: Ihr hoher Grad an Individualisierbarkeit. So stehen neben den bis zu 40 (!) normal wählbaren Außenfarben bis zu 20.000 Farben über das „Manufaktur Kundenwunsch“-Programm zur Verfügung. Das gibt’s so nicht mal bei der S-Klasse. Generell muss ich sagen, dass die Liebe zum Detail, die im gesamten Fahrzeug zu entdecken ist, zumindest für mich, einen großen Reiz an der G-Klasse ausmacht. Du machst die Hecktüre auf und entdeckst an ihrer Innenseite exakt abgestepptes Leder oder den, eigentlich nicht zu empfehlenden, weil alles darauf herumrutscht, Holzboden im Kofferraum.

Mein erstes Fazit zur 2024 Mercedes-Benz G-Klasse

Egal ob man die G-Klasse hasst oder liebt, ihren bisherigen Erfolg und ihre Herkunft muss man respektieren. Mir ist jetzt jedenfalls bewusst, warum sie solch eine internationale Reputation genießt. Kein anderes Fahrzeug verbindet wohl Gelände- mit Alltagstauglichkeit und zugleich Komfort und Luxus wie es der Geländewagen aus Graz seit geraumer Zeit tut. Ob die elektrische G-Klasse ihrer Zeit voraus (Kundenakzeptanz) oder gar hinten nach ist (kein Frunk, 400 V, 11 kW AC, keine Anhängekupplung, <500 kg Zuladung, „nur“ 468 km WLTP-Reichweite, schwer einschätzbarer Wertverlust, …), entscheidet der Markt. Über erhoffte Absatzzahlen schweigen sich die Stuttgarter aus. Am Erfolg der Verbrenner zweifle ich keine Sekunde.

Photo © Raphael Gürth/autofilou.at
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