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Der Land Rover Defender 110 P400 AWD SE im Test!

Die Trauer war groß, als 2016, nach 68 Jahren, der letzte Defender vom Band rollte. Eine – wenn nicht sogar DIE – Geländewagenikone verschwand von der Bildfläche. 2020 kam dann der Neue auf den Markt und wir durften ihn gleich mal in der Topversion probefahren. Doch kann der Land Rover Defender 110 P400 HSE die Reifenspuren seines Vorgängers ausfüllen?

Das Eckige muss ins Runde: Der neue Defender

Könnt ihr euch noch an die PCs aus den 90ern erinnern? Oder an diese riesigen Handys mit Antenne, die es damals gab? Wahrscheinlich lest ihr diesen Test gerade auf eurem superflachen und nicen Smartphone (am Klo, weils so praktisch ist) und könnt euch kaum daran zurückerinnern, wie es vorher war. Das Design vieler technologischer Entwicklungen hat sich vom Kantigen zum Runden entwickelt. Es heißt heute mehr denn je: Function follows Form. Und das gilt auch ein bisschen für den – und das mein ich jetzt nur lieb – rundgelutschten Versuch eine automobile Ikone neu auf die Straße zu bringen. Wahrscheinlich war die Windschlüpfrigkeit einer Doppelhaushälfte beim alten Land Rover Defender nicht wirklich förderlich für einen guten cw-Wert, der wiederum Auswirkungen auf den Verbrauch hat. Und Fußgänger und Radfahrer fallen zwar gleich ungern auf runde Kühlergrille wie auf solche, die im 90 Grad Winkel zur Motorhaube stehen, es soll aber weniger weh tun. Ausprobiert habe ich es nicht, ich habs auch nicht vor. Auch nicht einen anderen Verkehrsteilnehmer mit dem 5 Meter langen (5.018 Millimeter inklusive Ersatzrad), 2 Meter breiten und fast 2 Meter hohen Defender platt zu walzen.

2020 Land Rover Defender 110 P400 AWD SE test review
2020 Land Rover Defender 110 P400 AWD SE | Photo © Pascal Radu/karazu.media

Zwar mag der Neue einiges vom hemdsärmeligen Charakter des Alten verloren haben, lieb schaut er aber trotzdem nicht aus. Vor allem nicht in der Gondwana Stone braunen Lackierung samt matter Lackschutzfolie (zusammen 4.235 € Aufpreis) und mit den fetten 20 Zöllern in schwarz. Die Leute schauen einem in diesem Gefährt nach. Vor allem dann, wenn man damit in der Sandkiste spielen war und der Defender von oben bis unten dreckig ist. Ein schmutziger Defender fällt halt einfach auf, besonders wenn man damit in der Wiener Innenstadt unterwegs ist.

400 PS im Defender

In meinem Testwagen schlägt ein kräftiges Herz: Ein Reihensechser Ottomotor mit drei Litern Hubraum und mehr als ausreichenden 400 PS Leistung. 550 Nm Drehmoment liegen zwischen 2.000 und 5.000 Touren an und schieben den 2,3 Tonnen schweren Landy in 6,1 Sekunden von 0 auf 100 und weiter bis 209 km/h. Den Verbrauch gibt Land Rover mit 9,9 Litern an, im Test kam ich jedoch nicht unter 10. Klingt trotzdem nach einer lässigen Art, Sanddünen glattzubügeln, Äcker umzugraben und durch Schneestürme zu heizen, oder? Ist es auch. Der Motor schnurrt wie ein Kätzchen (man könnte fast von einem Jaguar sprechen) und hat zu jeder Zeit enorme Kraftreserven parat. Die Lenkung ist nicht zu schwammig, nicht zu direkt sondern einfach gut ausgewogen. Das optionale Luftfahrwerk lässt sich auf Knopfdruck heben oder senken. Insgesamt kann die Bodenfreiheit so um 14,5 Zentimeter nach oben oder nach unten geändert werden. In allen Modi passt sich das Fahrzeug hervorragend dem Untergrund an. Und da reden wir noch gar nicht vom Terrain Response System, das der Defender freilich an Bord hat.
Der Defender ist kein Stadtauto. Dennoch schlägt er sich in urbanen Gefilden überraschend gut und schluckt gekonnt Bodenwellen und Straßenbahnschienen weg. Wohler fühlt man sich jedoch auf Landstraßen und sogar Autobahnen, die der Vorgänger ja eher nicht so gerne sah.

Das kann der Innenraum des neuen Land Rover Defender

Wer Luxus im Defender sucht, sollte sich vielleicht lieber einen Range Rover anschauen. Die Verarbeitung ist zwar sehr solide und auch die Materialien fühlen sich hochwertig an. Das ist es dann auch schon. Ist aber egal, schließlich will der Defender nicht mit Prunk und Protz überzeugen, sondern mit Robustheit und Einfachheit. Blöd nur, wenn das Infotainmentsystem nicht gerade zu den benutzerfreundlichsten gehört. Befasst man sich mit den Menüs eine Zeit lang, ist das System dann doch zielführend zu bedienen. Pluspunkte sammelt der Offroader aus Britannien dafür mit der harman/kardon Anlage, die satten Klang liefert.

Platzangst kommt im neuen Defender keine auf. Alle Passagiere haben richtig viel Platz und Kopf- und Beinfreiheit ist auf allen Plätzen ausreichend gegeben. Der Kofferraum schluckt 857 bis 1.946 Liter. Zum Vergleich: Der Range Rover Sport, den Raphael letztens testen durfte, packt „nur“ 623 bis 1.686 Liter. Und das obwohl der Range Rover Sport nur wenige Zentimeter kürzer als der Defender ist.

Das kostet der neue Defender

Günstig waren Land Rover mal vor langer, langer Zeit und der Defender einer der günstigsten. Tja, das ist leider vorbei. Der Defender 90 (mit dem kurzen Radstand) beginnt bei 59.426 Euro, der längere 110 bei 66.580 Euro. In beiden Fällen gibt es dafür den 3,0-Liter Reihensechser Diesel mit Mildhybridunterstützung und 200 PS. Mein 110er Testwagen mit dem 400 PS Benziner beginnt bei 85.580 Euro, kostet in der von mir gefahrenen SE Ausstattungslinie (der dritten von vier) mindestens 95.990 Euro und kommt mit allen Extras auf 119.879 Euro. Soviel gab man früher mal für einen vollausgestatteten Range Rover aus. Wie sich die Zeiten doch ändern.

Fazit

Der Land Rover Defender ist nicht mehr der Alte und das ist auch gut so. Also bis auf den Preis. Hartgesottene Fans werden das Arbeitstier vermissen, reiche Abenteurer ihren Spaß damit haben. Der Defender ist ein sehr feines Auto geworden, das etwas vom alten Charakter verloren und dafür neuen „Flair“ dazugewonnen hat. Der 400 PS Motor macht Spaß, muss aber nicht unbedingt sein. 300 PS reichen vollkommen.

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