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M-eisterwerk: Der 1993 BMW M5 Touring E34

Es gibt ein paar bestimmte Buchstaben in der Automobilwelt, die bei Benzinbrüdern und -schwestern Gefühle der Begeisterung auslösen. Zum Beispiel das allseits beliebte R, das in vielen Fällen für „Race“ steht, so wie das „S“ für Sport. Wenn es um die Aussprache geht, kommt das „M“ im Vergleich deutlich angenehmer und weniger scharf über die Lippen und lässt in Bayern seit 50 Jahren Herzen höher schlagen. Das zeigt die Fahrt in einem der wohl coolsten M-Autos aller Zeiten: Dem BMW M5 Touring E34.

50 Jahre M GmbH

Vorausgesetzt, man kann das „M“ auf dem Auto auch lesen. Im Falle des M5 Touring der Baureihe E34 ist das allerdings gar nicht so einfach. Denn am Auto selbst prangt nirgendwo das M mit den drei Streifen in rot, blau und hellblau. So geht Understatement! Nehmt das, ihr, die ihr alle ein „M“ auf eure 318d Diesel klebt. Erst beim Öffnen der Türe erblickt man nämlich das vermutlich zweitbekannteste „M“ der Welt (das bekannteste dürfte wohl das goldene „M“ einer Fast-Food-Kette sein, dass allerdings gar kein M sein soll.) auf dem Einstieg.

Doch was hat es eigentlich mit diesem „M“ auf sich? Die kurze Erklärung: Es steht für die Motorsportabteilung von BMW und sorgt seit 1972 für noch mehr Freude am Fahren. Die lange Erklärung: Ein Jahr zuvor entwickelte BMW gemeinsam mit ALPINA die ersten 3.0 CSL Coupés als Homologationsserie für den Tourenwagensport. Ein Jahr später, also 1972, sollte nach der Vorlage des BMW Turbo Prototyps ein Sportwagen in München entstehen. Zuerst wurde bei Lamborghini um Hilfe gebeten, ehe wegen Unstimmigkeiten auf das Know-how der deutschen Entwickler des 3.0 CSL zurückgegriffen wurde. Daraus entstand nicht nur der legendäre BMW M1, sondern auch die BMW Motorsport GmbH. Das „M“ war geboren. Und das machte aus guten und feinen Autos echte Sportwagen. Und eines davon hat es mir besonders angetan: Der M5. Doch nicht irgendeiner, sondern jener der Baureihe E34. Warum? Weil es da den 5er erstmals offiziell als Touring gab und weil es einfach nichts Besseres als einen praktischen Kombi gibt. Außer eben einen praktischen Kombi mit ordentlich Power. Und so einen durfte ich vor kurzem fahren.

Sechs-Zylinder für ein Halleluja!

Ein sonniger Freitag, Ende September. Ich mache mich um 04:00 in der Früh in Wien auf den Weg, damit ich pünktlich um 08:30 Uhr in der Moosacher-Straße 66 in München aufkreuzen kann. Wie letztens bei meiner Spritztour mit Inka wartet nämlich auch hier wieder ein echtes Schmuckstück auf eine Ausfahrt mit mir. Die Damen und Herren der BMW Group Classic haben den BMW M5 Touring E34 aus den heiligen Hallen gezogen und für mich startklar gemacht. Damit auch ich startklar bin, trinke ich mit Max, meinem Begleiter aus der BMW Group Classic, einen Kaffee. Dabei besprechen wir den Plan für die Ausfahrt, wo wir Fotos machen, wo man den M5 Touring am besten ausfahren kann und so weiter. Max ist ein Münchner Original und schlägt mir unzählige Foto-Locations in der Umgebung vor. Erster Stopp ist das „M“ bei der BMW Welt, das sich hervorragend für einen Schnappschussanbietet. Also nichts wie rein in den feinen Kombi. Auf das feine Ledergestühl gesetzt, Schlüssel umgedreht und… von lautem Aufheulen oder Auspufflärm wie bei heutigen M-Modellen keine Spur. Ruhig und seidenweich bewegen sich die sechs Zylinder in den Brennkammern auf und ab, untermalt von kernigem Soundtrack. Es ist ein bisschen wie mit den nicht erkennbaren M-Emblemen: So sieht dem E34 Touring niemand seine Leistung an.

Dabei hat er davon reichlich: 3.795 Kubikzentimeter Hubraum, machen wir 3,8 Liter daraus, hat das Triebwerk mit der internen Bezeichnung S38B38. Es baut auf dem M88-Motor auf, der im M1 zum Einsatz kam. Der Motor wiegt 236,8 Kilogramm, viel interessanter und wichtiger ist aber seine Leistung: 340 PS, die bei 6.900 Umdrehungen anliegen. Bei dieser Drehzahl faucht der Motor dann auch richtig. In 6,1 Sekunden geht es im 1.720 Kilo schweren Kombi aus dem Stand auf 100 km/h. Die 100 Kilo leichtere Limousine schafft den Sprint in 5,9 Sekunden.

Ich vermeide es allerdings, dem fast 30 Jahre alten Auto so die Sporen zu geben. Zumindest auf den ersten Metern in der Stadt. Als Max und ich mit unserem Shooting bei der BMW Welt fertig sind, navigiert mich der sympathische Bayer (Max, nicht der E34) durch die Stadt und raus auf die Autobahn. 160 sind im M5 Touring eine angenehme Reisegeschwindigkeit, 250 läuft die Fuhre. Ich belasse es aus Respekt gegenüber seinem Alter (des E34, nicht des von Max) bei deutlich weniger. Außerdem reist es sich so komfortabel im Kraft-Kombi, dass man gar nicht heizen will.

M-an kann, muss aber nicht

Abseits der Autobahn, auf kurvigen Landstraßen, fühlt sich der M5 am wohlsten. Vielleicht ist das auch nur meine persönliche Einschätzung, aber die unfassbar direkte Lenkung und das straffe, aber nicht zu harte Fahrwerk, fühlen sich hier noch besser an. Dazu die direkte Fünf-Gang-Schaltung, die Arbeit und Mitdenken erfordert, nicht wie eine moderne 18-Gang-Automatik, die alles selber macht. Das Auto ist ein Gedicht. Und ja, man kann dem Ding durchaus die Sporen geben, muss man aber nicht. Immerhin lässt es sich angenehm leben im Innenraum des fast 30 Jahre alten Autos.

Ein Gruß aus längst vergangenen Tagen

Als ich nach einem kurzen Fotostopp wieder in den M5 einsteige, verheddere ich mich an diesem Tag zum 7-Mal mit dem Sicherheitsgurt in der Schnur des Autotelefons. Richtig gelesen: Autotelefon. Das kostete damals – 1993 – 8.000 Mark extra. Unter Berücksichtigung der Inflation wären das heute rund 6.500 Euro, aber auch wenn man bloß DM in Euro umrechnet, sind es noch 4.050 Euro. Wer sich das damals leisten konnte? Im Falle dieses M5 Touring E34 der damalige Vorstandsvorsitzende der BMW AG. Bernd Pischetsrieder war der Erstbesitzer dieses Autos. Danach ging es in die Sammlung von BMW, hat also immer „zur Familie“ gehört.

1993 BMW M5 Touring E34 test review


Wenn man sich den Innenraum und Qualität der Materialien und der Verarbeitung so ansieht, fragt man sich, ob die Belegschaft am Band noch perfekter gearbeitet hat, weil sie wussten, der Chef wird dieses Auto fahren. Aber im Ernst: Es ist alles perfekt. Alles, aber wirklich alles am Armaturenbrett ist mit Leder überzogen und mit feinen Nähten versehen. Und wo kein Leder, sondern Kunststoff durchscheint, wackelt selbst nach 30 Jahren nichts. Okay, vielleicht liegt es daran, dass auf das Auto immer geachtet wurde. Oder daran, dass es erst knapp über 22.00 Kilometer auf dem Tacho hat. So präsentiert sich das Interieur wie ein feines Wohnzimmer. Eines mit viel Platz. Zwar ist der 5er von damals so groß wie ein 3er BMW heute (M5 E34 Touring: 4,72 m; 3er G21 Touring: 4,79 m), er fühlt sich allerdings deutlich geräumiger an. Der Kofferraum des E34 Touring hat Platz für 460 bis 1.430 Liter (3er Touring G21: 500–1.510 l) was damals wie heute mehr als ausreichend für den Urlaub mit der ganzen Family ist.

All good things…

… must come to an end. Und nach fünf Stunden mit Max und dem M5 Touring E34 biegen wir drei wieder in die Moosacher-Straße ein. Das Resümee: In den letzten 50 Jahren hat sich bei der M GmbH viel getan. Vom Mittelmotor-Supersportwagen M1 bis zum brandneuen Plug-in-Hybrid SUV XM hat die BMW-Tochter einiges (mit-)gemacht. Die Zeiten, in denen einem der Wolf im Schafspelz verkauft wurde, der kein einziges M am Außenkleid trägt, sind allerdings schon längst vorbei. Das Gute: Man kann sich solche Autos auf dem Gebrauchtwagen- und Youngtimer-Markt kaufen. Das blöde daran: Einen guten M5 Touring zu finden ist nicht so einfach und auch nicht so günstig. Bei rund 40.000 Euro beginnt der Spaß für gute Exemplare, nach oben gibt es keine Grenzen. Immerhin liefen vom M5 Touring zwischen 1992 und 1995 nur 891 Stück vom Band. Normale E34 Touring gibt es hingegen für wenige tausend Euro, die sind aber so weit entfernt vom M5 Touring E34 aus der BMW-Sammlung wie ich von Heidi Klum. Der Neupreis des M5 Touring lag 1993 übrigens bei 123.000 Mark, macht 99.940 Euro mit Inflation, 63.000 Euro ohne. Das zahlt man heute für einen neuen 5er auch easy.

Fazit

Der BMW M5 Touring E34 ist das wohl coolste, nein, das geilste M-Auto aller Zeiten. Warum? Weil man ihm die Kraft und die Performance nicht ansieht. Weil er das Understatement der 90er verkörpert. Weil er eine echte Seltenheit ist. Und vor allem, weil er die Coolness und Eleganz besitzt, die ein dicker und protziger XM nie haben wird. Weil er unaufdringlich ist und gleichzeitig so viel Freude am Fahren bereitet, dass man sich eigentlich sofort einen zulegen möchte. Angeblich plant BMW bei der neuen Baureihe des 5ers wieder einen M5 Touring. Nun verstehen wir alle, wieso.

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