Unterwegs mit dem 1974er BMW 525 E12!
Normalerweise stellen wir euch, unseren sehr verehrten Leserinnen und Lesern, hier jene Autos vor, die praktisch erst Tage zuvor vom Band gelaufen sind. Dass das für einen Autotester trotz der Fülle an wirklich wunderbaren Wagen irgendwann „a fade Partie“ wird, können einige von euch vielleicht verstehen. Da war mein Date mit Inka, einem BMW 525 E12 von 1974, eine willkommene Abwechslung.Darf ich vorstellen: Inka!
Falls ihr euch jetzt gerade durch die Galerie oberhalb geklickt habt und keine Fotos einer jungen Dame erblickt habt, dann hat das zwei gute Gründe. Erstens ist die Dame mit ihren 47 Jahren nicht mehr die allerjüngste und zweitens, viel wichtiger, ist es gar kein Wesen aus Fleisch und Blut, sondern dieser wunderschöne BMW. Warum er den Namen Inka trägt? Weil er in diesem kräftigen Inka Orange (Farbcode 022) lackiert ist. Inka befindet sich im Besitz der BMW Group Classic, die sich innerhalb der BMW Group um alle Angelegenheiten rund um die Geschichte des Unternehmens kümmert. Etwa um das BMW-Museum, den BMW Group Classic Service (z. B. Restaurationen) oder das BMW Group Archiv. Sie betreut natürlich auch die über 1.400 Fahrzeuge der Sammlung und macht sie fit für Einsätze bei Oldtimer-Rallyes auf der ganzen Welt.
Eines dieser Exponate ist dieser orange 5er BMW. Er wurde vor mehr als einem Jahr, im Winter 2019, fit für die Aktion #winterwithinka gemacht. Zahlreiche Fotografen und Influencer durften Inka durch den Winter bewegen. In zwei Monaten spulten Szenegrößen wie Roman Rätzke, Keno Zache oder Pepper&Gold 12.000 Kilometer auf Inka ab. Und nun war ich an der Reihe! ☺
#springtimewithinka im Münchner Umland
Vor einigen Wochen machte ich auf dem Weg von Vorarlberg nach Wien, einen kleinen Abstecher bei der BMW Group Classic in München. Bei strahlendem Sonnenschein durfte ich Inka entgegennehmen. Bei der Fahrzeugübergabe kontrollierte ich anhand eines Protokolls alle Kratzer und Dellen an dem bayerischen Klassiker. Auf den Fotos auf Instagram strahlte der Lack geradezu. Das tut er in der Realität natürlich auch, doch man sieht Inka ihr Alter an. An einigen Stellen gibt es kleine Rostbläschen, das BMW-Emblem auf dem Kofferraumdeckel hat auch schon bessere Tage gesehen und natürlich sind in den letzten fast 50 Jahren ein paar kleine Kratzer am Lack entstanden. Alles in allem macht das alte Mädchen aber eine sehr gute Figur. Nicht nur im Stand!
Also Schlüssel ins Zündschloss, einmal umdrehen, dabei ein bisschen Gas geben, damit die Brennkammern sich mit feinstem Sprudel füllen und nichts wie runter vom Areal und hinaus ins Münchner Großstadt-Getümmel. Und was macht man als Erstes in München? Richtig: Brotzeit! Also gleich eine Brezen und ein Paulaner Spezi gekauft und schon kann die Fahrt losgehen. Es dürfte auch kaum verwundern, dass ich den urbanen Verkehr mit dem rüstigen 5er vermeiden wollte. Wer will schon lange an Ampeln warten, wenn man sich bei offenem Fenster und angenehmen 15 Grad den Wind in einem Klassiker um die Nase wehen lassen kann. Vor allem wenn die frische Brise mit dem Duft von Benzin angereichert ist. Ich lasse die Stadtgrenzen hinter mir und begebe mich auf der A9 Richtung Freising. Auf der Autobahn gibt’s somit die erste Mutprobe des Tages: Mit einem fast 50 Jahre alten BMW in der Blechlawine mitschwimmen.
Ein Reihensechser für ein Halleluja!
Die Bayerischen Motorenwerke sind bekannt für ihre feinen Sechszylindermotoren. Der BMW M30 (nein, kein neues Modell der M-GmbH, sondern die Motorenbezeichnung) trug maßgeblich zum guten Ruf der Reihensechser bei. Und ebendiesen M30 finden wir auch unter der Haube von Inka. Der 2,5 Liter große Ottomotor leistet 145 PS und schnurrt auch nach 47 Jahren wie ein Kätzchen. „Seidenweich“ beschreibt dieses Aggregat wohl am schönsten. Gleich gefolgt von „adäquater Leistung“. Inka fällt in der Masse von weißen Außendienstler-Mittelklasse-Kombis und schwarzen SUVs nicht nur auf wie ein bunter Hund, sondern kann auch mit ihnen mithalten. Zwar sind die 10,1 Sekunden, die BMW Mitte der 70er für den 525 angibt, nicht übermäßig rasant, für heutige Verhältnisse aber immer noch schnell genug. 193 km/h soll der flotte Fünfer rennen, zumindest stand das so 1974 im Prospekt. Der BMW und ich lassen es 2021 aber etwas langsamer angehen und verlassen die Autobahn recht schnell wieder. Auf den Landstraßen kann man nämlich nicht nur die Landschaft besser begutachten, sondern auch dieses feine Stück Vintage-Blech.
Auch ohne Servolenkung lässt sich der rüstige BMW gemütlich auf dem Asphalt bewegen. Stress? Fehlanzeige! Das Fahrwerk lässt den nur 1.345 Kilogramm schweren 5er sanft über Bodenunebenheiten schweben. Die unglaublich weichen Sitze tragen zum Fahrkomfort bei. Die 145 PS wirken im Vergleich zum heutigen 5er, den es erst ab (!) 150 PS gibt, schwach. Das sind sie aber gar nicht, sorgen sie doch für mehr als adäquaten Vortrieb. Hat man sich mit der alten Dame dann so richtig angefreundet, kann man sie durchaus auch flott bewegen. Trotz des Spiels in der Lenkung kommt durchaus sportliche Freude am Fahren auf. Die Scheibenbremsen packen gut zu und dank der 4-Gang-Handschaltung lassen sich die Gänge sauber und direkt einlegen.
Wohnzimmer-Feeling der 70er Jahre
Von den weichen Veloursitzen habe ich schon kurz erzählt. Die fühlen sich so wie das Sofa meiner Oma an: Wahnsinnig weich und bequem. Der Seitenhalt entspricht natürlich nicht der heutigen Norm eines BMW. Der Rest des Interieurs hingegen schon. Alles ist klar und schnörkelfrei, funktional und nicht übertrieben insziniert. Etwa die Rundinstrumente im Tacho, die Knöpfe für Nebelschlussleuchte und Warnblinker. In der Mittelkonsole gibt es eine Klimaanalage, die puristischer und einfacher nicht sein könnte, darunter einen Aschenbecher. Einen von dreien, um genau zu sein. Zwei weitere gibt es nämlich für die Passagiere im Fond. Die können sich auch über angenehm viel Platz freuen. In den Kofferraum passen 440 Liter und damit genug Gepäck für eine längere Reise mit dem Oldtimer.
Was kostet der Spaß?
Gebaut wurde der E12 von 1972 bis 1981. Auf den gängigen Gebrauchtwagenportalen sind Modelle der Baureihe E12 derzeit schon ab 3.500 Euro zu bekommen. Fahrzeuge mit mehr Substanz gibt es ab rund 15.000 Euro. Wer ein gutes Exemplar kaufen möchte, sollte um die 20.000 Euro einkalkulieren. In Deutschland ist die Auswahl größer, die Preise ähnlich. Das Topmodell bildet der M 535i mit 218 PS, der bei einem Händler in Deutschland für über 50.000 Euro angeboten wird.
Zum Fahrzeugpreis kommen dann noch die laufenden Unterhaltskosten dazu. Die Ersatzteilversorgung ist gut, die Technik mehr als solide und geübte Schrauber können selber Hand anlegen. Bei einem Verbrauch von etwas über 12 Litern auf 100 Kilometern und einem 70 Liter großen Tank, fließt nicht nur Sprudel durch den Vergaser, sondern auch Geld aus der Geldtasche in die Kassa des Tankwartes.
Fazit
Der Tag mit Inka war leider viel zu schnell wieder vorbei. Der E12 mit seinem geschmeidigen Reihensechser hat sich in mein Oldtimerherz eingeparkt. Auch nach heutigen Maßstäben ist er ein wunderbares Auto, das trotz seines Alters wirklich alltagstauglich ist. Und so cool und fein die neuen 5er sind, ich würde ihnen jederzeit einen E12 vorziehen.