autofilou.at Zum Inhalt

Der Mercedes-Benz S 560 L 4MATIC im Test

Der Mercedes-Benz S 560 L 4MATIC stellte mich vor schwierige Entscheidungen: Selbst fahren oder chauffieren lassen? Lohnt sich eine Hot Stone Massage im Sommer? Und wie bewältige ich meine First World Problems?

Mercedes-Benz S 560 L 4MATIC: First World Problems bewältigen

Meine Geschichte mit dem Luxus-Benz beginnt genau so, wie man sich das vorstellt: er wurde mir überstellt. Ein kurzer Anruf während der Arbeit und ich kam zum vereinbarten Treffpunkt. Und da stand das 5,25 Meter lange Straßenschiff schon und überragte alle anderen Autos in der Schrägparker-Reihe um gut 30 Zentimeter. Die Sonne ließ den Metallic-Lack… violett-braun funkeln. Wer sucht sich bitte so eine Farbe aus? Aber gut, vermutlich braucht solch ein Auto einen Schuss Extravaganz.

Ich öffnete eine der hinteren Türen und erblickte den puren Luxus des Autofahrens: zwei Bildschirme, eine opulente Mittelkonsole und zwei Einzelsitze, von denen man einen zum Liegesitz machen kann – ein Executive Fond eben. Dazu noch gepolsterte Kopfstützen und Lautsprecher rundherum. Was macht man da natürlich als erstes? Genau, man sucht die Preisliste – und staunt. 206.000 Euro kostet dieses Schlachtschiff. Eine kleine Wohnung quasi. Da überraschen die beiden Einzelsitze in der zweiten Reihe und all die Bildschirme nicht mehr so sehr. Aber was musste ich kurz darauf mit Entsetzen feststellen? Da kreuzt jemand das Executive Fond-Paket für 5.700 Euro an und ist dann zu knausrig nochmal 700 für die Hot Stone Sitzmassage-Funktion im Fond auszugeben? Das sind nur drei Promille des Gesamtpreises. Die Minibar für 1.400 wurde ebenfalls weggelassen und die Klapptische für 2.250 Euro auch.

„Da kreuzt jemand das Executive Fond-Paket für 5.700 Euro an und ist dann zu knausrig nochmal 700 für die Hot Stone Sitzmassage-Funktion im Fond auszugeben?“

Wer will denn dann noch hinten sitzen? Okay, die Liege-Stellung mit Beinauflage ist nicht schlecht. Und über Anschlüsse in der Mittelarmlehne kann man die Bildschirme bespielen und sich während der Fahrt ein bisschen berieseln lassen. Für Kontrollfreaks gibt es auch eine Fernsteuerung, mit der man sogar das Infotainmentsystem im Cockpit bedienen kann. Aber keine Massage? Wozu dann das alles? Da kann nicht mal das 4.380 Euro teure Panorama-Schiebedach mit Magic Sky Control drüber hinwegtrösten. Auch wenn es, wie der Boeing Dreamliner, das Glas auf Knopfdruck elektromagnetisch verdunkelt.
Immerhin hatte unser Testfahrzeug die optionale Burmester-Soundanlage, die wirklich ausgezeichnete Musikqualität bietet, ähnlich wie die Anlage im getesteten BMW 630d GT.

2018 Mercedes-Benz S 560 L 4MATIC Test review

Mit 469 PS ist der S 560 mehr als ausreichend motorisiert

Aber bei all den First World Problems, die sich ergeben, wenn man in diesem mangelhaft ausgestatteten Fond sitzt, hat der S 560 doch auch die passende Medizin parat: den Fahrersitz und einen 469 PS starken 4,0-Liter V8-Benziner unter der Haube. Vorne Platz genommen, kann man die brachiale Kraft dieses Autos wunderbar spüren. Bis zu 700 Nm Drehmoment zerren an allen vier Rädern und sorgen für sportliche Sprints, die die Passagiere nur so in ihre Lederfauteuils drücken. Wobei sportlich eigentlich falsch ist. Denn man bekommt im perfekt gedämmten Dickschiff kaum etwas mit. 4,6 Sekunden dauert es bis 100 km/h, bei 250 wird elektronisch abgeriegelt.
Allerdings hat die überbordende Potenz auch eine Kehrseite: den Verbrauch. Mit dem verbauten 80 Liter Tank kommt die S-Klasse nämlich maximal 800 Kilometer. Und das auch nur bei reiner Überlandfahrt. In der Stadt steigt die Anzeige des Bordcomputers schnell mal auf bis zu 17 Liter. Und auch Werte jenseits der 20 Liter sind problemlos erreichbar. Das sind schon stolze Werte.

Dazu gesellen sich noch ein paar Kleinigkeiten, an denen man sich stoßen kann, aber nicht muss. Wer das Handy per Bluetooth gekoppelt hat und ein Lied weiter schalten möchte, bekommt deutliche Latenzen zu spüren. Der Kofferraum ist mit 530 Litern nicht gerade riesig, die Rücksitze können (natürlich) nicht umgelegt werden – viel Gepäck kann also zur Bürde werden. Aber dafür kauft man so ein Auto auch nicht.

Fazit

Der Mercedes-Benz S 560 L 4MATIC ist wohl das gediegenste Auto mit dem ich 2018 gefahren bin. Der gebotene Luxus und die Fülle an Extras machen dieses Auto zu etwas ganz Besonderem. Bloß, dass auf die Massagesitze sowie die Minibar im Fond vergessen wurde, trübt mein Bild von diesem Fahrzeug.
Bleibt die Frage, ob man sich wirklich dieses Auto kaufen soll oder doch lieber eine kleine Eigentumswohnung oder einen kleinen, gebrauchten Hubschrauber? Eine andere Möglichkeit wäre natürlich auch der BMW 740Le xDrive.
Empfohlene Artikel der Redaktion

BMW 740Le xDrive: Luxusliner für die Kurzstrecke!

Selten habe ich mich in einem Auto von so viel Luxus umgeben gesehen. Erst recht nicht auf der Rückbank. Die Langversion des aktuellen 7er BMWs weiß seine Passagiere zu bezaubern. Nur tanken muss man leider häufig. 2016 BMW 740Le xDrive iPerformance | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at 2016 BMW 740Le xDrive iPerformance | Photo © Tizian …

von Christoph Adamek

BMW Winter Technic Drive 2015: Freude am Ausbrechen!

Mit X1 und 7er mal richtig durch den Schnee jagen und um Kurven schleudern? Der BMW Winter Technic Drive macht’s möglich. Zwei Tage lang konnte ich am Rettenbachgletscher die beiden neuesten Modelle der Bayern ausbrechen lassen. 2016 BMW 7 Series snow drift | Photo © BMW Group Airport Innsbruck, Tirol, Austria | Photo © Christoph …

von Redaktion

Der BMW 630d GT xDrive im Test

BMW hebt seinen Gran Tourismo eine Klasse höher, verpasst ihm ein flacheres Heck und die neueste Technik und – voilà – ein Luxusliner ist geboren.

von Christoph Adamek
Maximal 5 Autos für den Vergleich möglich!
0 Fahrzeug(e) im Vergleich