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Erster Test: So gut wird der Hyundai IONIQ 6!

Im Juni 2023 rollt der Hyundai IONIQ 6 endlich auch zu den österreichischen Händlern. Ich durfte mit dem erfrischend anderen Elektroauto bereits ein Wochenende verbringen.

Hyundai IONIQ 6: Elektrisch auf nächstem Level!

Autobahn-Reichweiten von E-Autos kann ich mittlerweile gut einschätzen. Das dachte ich jedenfalls, bis ich vergangene Woche in den erfrischend anderen Hyundai IONIQ 6 Top Line Long Range 77,4 kWh einstiegen war. Wenn der heckangetriebene IONIQ 5 (72,4 kWh brutto; cW-Wert: 0,29) vor 1,5 Jahren schon 300 Kilometer weit fuhr, dann sollten es im IONIQ 6 allein durch die größere Batterie doch locker 330 Kilometer sein, oder? Bis Salzburg wollte ich jedenfalls damit kommen – gestartet vom Norden Wiens aus, über Krems gefahren, sind das eben die gewünschten 330 Kilometer.

Ein Erlebnisbericht zur Reichweite …

Schon vor der Abfahrt wusste ich, dass, bei einer Nettokapazität von etwa 73 kWh, der Durchschnittsverbrauch dafür keinesfalls über 22 kWh/100 km steigen durfte. Doch als sich dieser bei rund 18 kWh/100 km einpendelte, war ich vollkommen perplex. Mit einem solch niedrigen Verbrauch bei 130 km/h – gefahren nach GPS, nicht Tacho – hätte ich keinesfalls gerechnet. Zugegeben, die Bedingungen waren eigentlich mehr als ideal. Um die 20 °C Außentemperatur, eine Prise Rückenwind (4 m/s) und 2,8 statt 2,5 bar in den Sommerreifen. Doch gen Westen geht es stetig bergauf. Welchen Wert konnte ich dann für den Rückweg erwarten? Jedenfalls fuhr ich, übers kleine deutsche Eck, bis Saalfelden weiter und absolvierte ohne einen einzigen Stopp 380 km in kaum mehr als dreieinhalb Stunden. Am Ziel angekommen waren immer noch 13,5 Prozent Restkapazität aka 57 Restkilometer im Akku. Ich hätte es an diesem Tag somit wohl sogar weiter bis Kitzbühel geschafft. Absolut gestört, wenn ihr mich fragt. Vor allem weil 77,4 kWh Bruttokapazität keine für den Alltag so übertrieben große Energiemenge sind, wie die geschätzt mehr als 112 kWh des Mercedes-Benz EQS.

Warum ich den IONIQ 6 mit dem EQS vergleiche? Weil beides Limousinen sind, die mit einem phänomenalen cW-Wert von 0,21 oder weniger vorfahren und auf Langstrecke ausgelegt sind. Wenngleich der EQS satte 36 Zentimeter länger ist (5,22 m vs. 4,86 m) und mehr als das doppelte kostet (117.271 € vs. 55.490 €) als der Hyundai IONIQ 6.

Hier ein Konkurrenzvergleich (ähnlich lange e-Autos) hinsichtlich cW-Wert, Batteriekapazitäten und WLTP-Reichweiten, EQS inklusive:

 Länge in mcW-WertBrutto-kWhnetto-kWhWLTP-km
Tesla Model 34,690,23~82,0n/a626
BMW i44,780,2483,980,7584
BYD Seal4,800,21982,0n/a570
Polestar Polestar 44,84n/a102,0n/a600
Hyundai IONIQ 64,860,2177,4n/a614
Mercedes-Benz EQE4,950,22n/a90,56681
VW ID.74,960,2391,086,0700
Porsche Taycan4,960,2293,483,7508
Audi e-tron GT4,990,2493,485,0492
BYD Han5,000,23385,44n/a521
Tesla Model S5,020,208100,0n/a723
Mercedes-Benz EQS5,220,2n/a108,4739

Zurück nach Saalfelden: Angesteckt an einer der zig verfügbaren 11-kW-Wallboxen des Hotel Gut Brandlhof, nuckelte sich der IONIQ 6 über Nacht mit Leichtigkeit randvoll. 72,6 kWh zog er dabei aus dem Netz. In der Traktionsbatterie selbst landeten davon allerdings „nur“ 64,25 kWh. Der Rest ist wohl Ladeverlusten, dem Balancen der Akkuzellen oder auch der Batterieheizung zuzuschreiben.

Der Rückweg ein Kinderspiel: Trotz starken Gegenwinds (5,5 m/s, Böen bis 12 m/s) pendelte sich der Autobahn-Verbrauch bei sensationellen 17 kWh/100 km ein. In der Stadt konnte ich, je nach Gemütszustand, ebenso sensationell niedrige Verbräuche zwischen 10 und 15 kWh/100 km realisieren.

… und zum schnellen Laden

Das Grandiose am IONIQ 6: Er lädt dank 800 Volt-System auch unglaublich schnell nach – entsprechende 300 kW-Ladesäule und Akkutemperatur (~20 °C) vorausgesetzt. Um die Laderoutenplanung und die optimale Temperierung der Batterie, kümmert sich mittlerweile das Auto selbst. Dafür muss einfach das gewünschte Ziel ins Navigationssystem eingesprochen oder -getippt werden. Stimmt alles, dann sind Ladezeiten von 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent möglich. Im Test – angesteckt bei acht Prozent Restkapazität – unterbot ich diese Angabe gar um drei Sekunden. Allerdings: Mit wie viel Prozent man voraussichtlich die Ladestation oder das Ziel erreicht und wie weit man dann Aufladen muss, wird einem nicht vermittelt.

Jedenfalls sind somit easy mehr als 650 Kilometer mit einem knapp 20-minütigen Ladestopp machbar. Ein Traum. Und so fährt er sich auch. Rollt komfortabel ab, rekuperiert vehement (einstellbar via Wippen am Lenkrad) und ist, selbst bei höheren Geschwindigkeiten, richtig leise. Die Leistung des Hecktrieblers (229 PS, 350 Nm Drehmoment) reicht im Alltag vollkommen aus. 7,4 Sekunden sind für den Standardsprint angegeben. Wer mehr Leistung (325 PS, 605 Nm) und Beschleunigung (5,1 s/0–100 km/h) will, greift zum Allrad-IONIQ 6 für 3.000 Euro mehr. Dann stehen aber keine 614 km WLTP-Reichweite, sondern „nur“ 583 Kilometer auf dem Papier. Und wer die optionalen 20-Zöller (18-Zöller sind Serie) aufzieht, verliert weitere 60–70 km Reichweite.

IONIQ 6 – komplett perfekt?

Leider nein. Große Fahrer (>1,85 m) streifen mit dem Haupt am Dach und stören sich zudem am Innenspiegel, der das Sichtfeld einschränkt. Für Familienausflüge (Skifahren, Sommerurlaub, …) fehlt eine Skidurchreiche oder eine dreigeteilt umlegbare Rücksitzbank, ein dritter ISOFIX-Anschluss am Beifahrersitz und ein etwas größerer Kofferraum. 401 Liter sind eher Kompakt-, denn obere Mittelklasse. Immerhin verstecken sich unter der vorderen Haube beim Heckantriebs-IONIQ 6 weitere 45 Liter Stauraum (AWD-IONIQ 6: 14,5 l). Zur Not muss eine Dachbox (80 kg Dachlast) drauf oder ein Anhänger (bis 1.500 kg gebremste Anhängelast; bis 100 kg Stützlast) dran – auch wenn das dem cW-Wert und somit der Reichweite freilich wenig zuträglich ist.

Und die 2.000 Euro der optionalen digitalen Außenspiegel würde ich lieber in eine höhere Ausstattung oder die größere Batterie investieren. Ganz einfach, weil sich das Kamerabild nicht so weit nach unten schwenken lässt, dass man die hintere Felge sieht, und das ist meiner Meinung nach essenziell beim Einparken. Apropos höhere Ausstattung…

Die Preise des Hyundai IONIQ 6

Die Basis (Base Line; ab 55.490 €) kommt ohne Wärmepumpe, Toter-Winkel-Warner oder Matrix-Scheinwerfer daher. Erstere ist immerhin optional (+1.290 €) erhältlich. Wer diese Goodies will, greift direkt zur 4.000 Euro teureren Plus Line (ab 59.490 €) und erhält auch noch abgedunkelte Seitenscheiben, Sonnenschutzverglasung, ein Smartphone-Ladepad und elektrisch verstellbare Sitze der 1. Reihe sowie Sitzheizung hinten. Die von mir hier gefahrene Hyundai IONIQ 6 Top Line kostet noch einmal 5.000 Euro mehr und startet derzeit (Mai 2023) bei 68.490 Euro. Dafür gibt’s dann zusätzlich folgende Annehmlichkeiten: 360-Grad-Kamera, Head-up-Display, BOSE®-Sound sowie belüftete Sitze vorne. Im Vergleich zur Konkurrenz sieht es rein vom Preis zur Reichweite wie folgt aus:

Preis zu Reichweite Grafik Vergleich Konkurrenz Hyundai IONIQ 6
Der Kaufpreis im Verhältnis zur Reichweite | Picture © autofilou.at

Fazit

Mein erstes Date mit dem Hyundai IONIQ 6 war viel zu schnell vorbei und ich freue mich bereits auf eine ausgiebigere Testzeit im Sommer. Die Optik, der Verbrauch und somit auch die Reichweite, gepaart mit der Möglichkeit in weniger als 20 Minuten auf 80 Prozent nachzuladen, überzeugen vollends. Rundum zufrieden wäre ich, würde es eine Skidurchreiche oder noch besser, eine dreigeteilt umlegbare Rücksitzbank sowie einen weiter nach unten positionierbareren Fahrersitz geben. Nichts zu meckern habe ich bei Garantie (5 Jahre ohne km-Begrenzung), Airbags (7 Stück Serie) und Euro NCAP-Bewertung (5 Sterne).

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Photo © Raphael Gürth/autofilou.at
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