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Der Hyundai IONIQ 5 Top Line 72,6 kWh 2WD im Test!

Der Hype rund um den Hyundai IONIQ 5 ist groß. Zu Recht? Ist das futuristische Crossover tatsächlich so gut, wie viele hoffen? Im Test bei Filou Raphael die Version mit Heckantrieb und großer Batterie.

Hyundai IONIQ 5 Top Line 72,6 kWh 2WD: Fast perfekt!

Er sei „DAS E-Auto des Jahres“ war stets mein erster Antwortsatz, wenn ich in den letzten Monaten zum Hyundai IONIQ 5 befragt wurde. Schließlich glänzt er auf dem Papier mit einigen Highlights. Doch glänzt der in „Gravity Gold Matte“ (+990 €) lackierte Testwagen mit großer Batterie (72,6 statt 58,2 kWh) und Heck- statt Allradantrieb auch in der Praxis? Ja, aber mit Abzügen bei den Haltungsnoten.

Die Ladegeschwindigkeit setzt Maßstäbe!

Doch zuerst zum Positiven: So schnell (im Durchschnitt) wie der IONIQ 5 lädt aktuell nämlich kein anderes Auto. Kein Audi e-tron oder e-tron GT, auch nicht der Porsche Taycan und auch keines der Modelle von Tesla. Und ich rede hier nicht von den Angaben auf dem Papier, sondern von im Test selbst erlebten Ladevorgängen. Insgesamt drei Mal war ich an 350 kW-Hyperchargern Aufladen. Zweimal davon brach der Ladevorgang leider ab – mutmaßlich vonseiten der Ladestation. Und doch konnte ich zwei Mal miterleben, wie der IONIQ 5 nur knapp – um 1 Minute – die Werksangabe von 18 Minuten für die Ladung von 10 auf 80 Prozent verfehlte. In dieser Zeit „fließen“ etwa 50 kWh in den Akku. Zum Vergleich: Der ähnlich große, aber deutlich ältere Jaguar I-Pace braucht für dieselbe Energiemenge etwa 34 Minuten.

Ladekurve (Charging Curve) des Hyundai IONIQ 5 Top Line 72,6 kWh 2WD.
Ladegeschwindigkeit in kW, nachgeladene kWh sowie SoC in % über die Zeit | Picture © autofilou.at

Der in der oberen Grafik ersichtliche Einbruch auf einstellige Ladeleistungen, der bei etwa 81 Prozent State-of-Charge startet und ungefähr drei Minuten lang anhält, dient, meiner Interpretation nach, dem sogenannten „Balancing“ der einzelnen Batteriemodule. Das dabei durchgeführte „auf-gleich-ziehen“ der Zellspannung sorgt für eine größere Gesamtkapazität der Batterie bei zugleich höherer Lebenserhaltung der Batteriezellen. Schließlich gibt Hyundai fünf Jahre Neuwagengarantie ohne Kilometerbeschränkung auf das Fahrzeug und sogar acht Jahre respektive maximal 160.000 Kilometer auf die Batterie.

Die Reichweite geht in Ordnung

Dieser abrupte Ladeeinbruch zwingt Langstreckenfahrer indirekt zur Weiterfahrt – aber bitte noch diese drei Minuten, der Batterie zuliebe, abzuwarten. Weiter als bis 84, 85 Prozent aufzuladen macht – wie bei den meisten anderen e-Autos – nur mäßig Sinn, weil darüber die Ladeleistung auf unter 100 kW und Richtung 90 Prozent hin bis auf etwa 40 kW abfällt. Das bedeutet aber auch, dass die Praxis-Reichweite dementsprechend kürzer ausfällt – wie eben auch bei allen anderen Elektroautos. Während ich im Autobahn-Test (siehe Video weiter unten für mehr Details) mit vollem Akku bei Temperaturen von ca. 26 °C und mit aktivierter Klimaautomatik knapp 300 Kilometer weit gekommen bin, sind es mit 70 Prozent der Batteriekapazität (80–10 %) nur noch 210 Kilometer. Heißt also: Etwa alle zwei Stunden ist ein Ladestopp von etwas über 20 Minuten nötig.

Ein weiteres Beispiel noch aus der Praxis: Nach der Abholung bei Hyundai Österreich in Wien 23 ging es direkt Donau-aufwärts bis ins 250 Kilometer entfernte Ried im Innkreis, Oberösterreich – zu zweit im Auto plus Gepäck, bei Außentemperaturen zwischen 21 und 24 Grad Celsius. Am Ende zeigte die GPS-App „Adidas Running“ eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 108 km/h und das Display des IONIQ 5 einen Durchschnittsverbrauch von 22,6 kWh/100 km. Im Akku verblieben 20 Prozent Restladung bei einer Restreichweite von 59 Kilometer.

Hyundai gibt für den heckangetriebenen IONIQ 5 mit großer Batterie (72,6 kWh) übrigens einen WLTP-Verbrauch von 16,8 kWh/100 Kilometer und eine WLTP-Reichweite von 481 Kilometern mit 19 Zoll großen Felgen und für meinen Top Line-Testwagen mit den montierten 20-Zöllern 451 Kilometer an. Schon im Sommer 2022 soll die Batteriekapazität auf den Wert des KIA EV6 (77,4 kWh) anwachsen, dann sind ein paar extra Kilometer drin.

Wer in der Stadt unterwegs ist, kann den Verbrauch auch auf 13 kWh/100 Kilometer drücken und „Spezialisten“ wohl sogar noch weiter.

So fährt sich der IONIQ 5

Der für die Außenlänge des IONIQ 5 (4,635 m) ungewöhnlich lange Radstand von exakt drei Metern führt dazu, dass der IONIQ 5 einen ruhigen Geradeauslauf hat. Trotz der riesigen aufgezogenen Reifen im Format 255/45 R20 rollt er nicht bockig ab, fühlt sich aber in Kurven, vor allem in flott gefahrenen, sehr behäbig an. Die Lenkung ist für eine Landstraßen-Hatz im Normal-Modus zu indirekt, mit zu viel Spiel um die Mittellage. Das ändert sich im Sport-Modus, in dem die Lenkkräfte beinahe unnatürlich hart sind. Die viel zitierte Agilität des bereits erwähnten Kontrahenten Jaguar I-Pace hat der IONIQ 5 definitiv nicht. Mitschuld ist hier sicherlich auch der Wendekreis(-Durchmesser). Der ist mit 11,89 Meter um einen Meter länger als in der Mercedes-Benz S-Klasse Langversion (5,289 m) mit 10-Grad-Hinterachslenkung (10,9 Meter). Mit der kam ich ohne Weiteres bei der gekrümmten Garagenausfahrt meiner Freundin hinaus, während es beim Hyundai einen Reversiervorgang brauchte. Kurzum: Kompakt ist der Hyundai IONIQ 5 also weder optisch noch dynamisch.

Auch längsdynamisch zählt er mit seinen 218 PS und 350 Nm maximalem Drehmoment nicht zu den stärksten seiner Klasse. 7,4 s vergehen für den Spurt von 0–100 km/h. Wer mehr braucht oder will, greift zu den ebenfalls erhältlichen Allradversionen. Die beschleunigen den IONIQ 5 mit kleiner Batterie (235 PS) in 6,1 und mit großer Batterie (305 PS) in 5,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Ein IONIQ 5 N mit noch mehr Leistung kommt angeblich auch.

Die Rekuperationsleistung hingegen überzeugt auf ganzer Linie. Über Wippen am Lenkrad ist diese in ihrer Stärke in drei Stufen verstellbar. Die stärkste Stufe kann hierbei als One-Driving-Pedal betitelt werden. Das eigentliche Bremspedal wird dann im Alltag bei vorausschauender Fahrweise überflüssig weil der IONIQ 5 einzig über das Strompedal beschleunigt und verzögert werden kann.

Hyundai IONIQ 5 Rekuperation Schaltpaddel
Hyundai IONIQ 5 Rekuperation Schaltpaddel

Navigation braucht Over-the-Air-Update!

Wirklich enttäuscht war ich vom Navigationssystem. Es ist nicht in der Lage, eine längere Route komplett – inklusive aller Ladestopps – selbstständig durchzurechnen und anzubieten. Für längere Strecken mit dem IONIQ 5 ist es also weiterhin nötig, vorab geeignete Ladestationen ausfindig zu machen und diese händisch einzugeben. Ein absolutes No-Go für ein „Langstrecken“-Elektrofahrzeug, das Mitte 2021 auf dem Markt erscheint. Mir ist unerklärlich, warum hier Tesla und (stellenweise) der VW-Konzern weiterhin die einzigen sind, die das möglich machen.

Und wenn ich eine Ladestation als Destination in der Zielführung aktiv habe und diese auch leicht mit der Restreichweite erreiche, warum will mich das System dann ab dem Moment, wo ich 10 Prozent SoC erreiche, zu einer auf dem Weg befindlichen Ladestation führen (siehe Reichweitenvideo oben!)?

So wird Antriebsumsteigern das Leben nicht unbedingt leichter gemacht. Meine Eltern damit nach Caorle oder Rovinj schicken? Lieber nicht…

Gut, dass das System zumindest Over-the-Air auf den neuesten Stand gebracht werden kann. So könnte die oben geforderte Navigationsfunktion nachträglich eingespielt werden.

Screenshot der Hyundai IONIQ 5 blueLink Smartphone App.
Hyundai blueLink App | Screenshot © autofilou.at

Diese Kleinigkeiten stören

Mir gehen aber auch ein paar Kleinigkeiten im Hyundai IONIQ 5 auf die Nerven. So ist die Sitzheizung und -lüftung nur umständlich über das entsprechende Infotainmentmenü erreichbar – dorthin komme ich zum Glück aber auch per haptischer Taste im Klimaanlagenpanel. Ablenkung von der Straße: Gegeben. Dabei hat er als Top Line (= nach Base Line & Plus Line die höchste Ausstattungsvariante) sogar ein Augmented-Reality-Head-up-Display an Bord. Dieses weist unter anderem, also abseits der akustischen Tot-Winkel-Warnung und des im Fahrerinformationsdisplay erscheinenden seitlichen Kamerabildes, auch mit in die Windschutzscheibe projizierten großen roten Balken auf versteckte Gefahren hin.

Das Ein- und Ausparken via Schlüssel funktioniert leider auch nur mäßig gut. Denn um es Nutzen zu können, muss zuvor – jedes Mal aufs Neue – die Funktion im Fahrzeug selbst aktiviert werden. Das mag für das Einparken noch gut funktionieren, wo man zuvor im Fahrzeug sitzt, doch zum Ausparken aus engen Lücken taugt das System so leider nicht.

Und während der zweiwöchigen Testzeit trugen mein rechtes Knie und der Lenkstockhebel zur Fahrstufenwahl mehrere Kriege aus. Was mich auch zum Platzangebot bringt.

Hyundai IONIQ 5 Lenkstockhebel Fahrwahlschalter Drive Neutral Reverse Park
Photo © Raphael Gürth/autofilou.at

Diese Kleinigkeiten erfreuen

Entgegen einiger Meldungen über einen zu weit oben montierten Fahrersitz, hatte ich keine Probleme mit der Kopffreiheit. Weder in der ersten noch in der zweiten Sitzreihe. Dank des hellen Interieurs des Testwagens fühlt sich der Innenraum sehr luftig an – auch ohne optionalem (+1.390 €) Panorama-Glasdach. Zusätzlich gibt die manuell nach vorne bzw. hinten verschiebbare Mittelkonsole Platz im vorderen bzw. hinteren Fußraum frei. Chillig wird es dabei nicht nur auf den beiden vorderen Sitzen, die in der Top Line mit Relax Funktion, also Liegemodus ausgestattet sind, sondern auch auf der Rücksitzbank. Diese ist elektrisch in der Länge verschiebbar und auch die Lehnenneigung ist in verschiedenen Raststufen einstellbar. Dadurch variiert auch das Kofferraumvolumen, fasst jedoch mindestens 531 Liter. Unter der „Motorhaube“ finden im 2WD-IONIQ 5 weitere 57 Liter Platz und selbst im 4WD-IONIQ 5 sind es noch 24 Liter. Im I-Pace sind’s 505 Liter hinten sowie 27 Liter vorne. Das feine Schubladen-Handschuhfach des IONIQ 5 hat der Jaguar aber nicht.

Hyundai IONIQ 5 Handschuhfach Glove Box Schublade
Photo © Raphael Gürth/autofilou.at

Mein Fazit zum Hyundai IONIQ 5

Er hätte mein Elektroauto des Jahres sein können, der Hyundai IONIQ 5. Doch ein paar Kleinigkeiten stören mich im Alltag ungemein. Manches davon ist ganz subjektiv, manches – wie das Navi – wird hoffentlich per Over-the-Air-Update ausgebessert. Insgesamt überwiegen aber die Vorteile. Dennoch gilt: Bei einer Probefahrt sollte man, insbesondere wenn das Auto in einer Garage stehen wird, das Einparken ausprobieren. Der Wendekreis des IONIQ 5 ist nämlich alles andere als berauschend.

Hyundai IONIQ 5 Preis zu Reichweite Range Price Comparison Vergleich Konkurrenz
Der Kaufpreis im Verhältnis zur Reichweite | Picture © autofilou.at
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