Mit dem Vorsatz „Diese Plastikdose kommt mir nicht ins Haus“ nahm ich vor kurzer Zeit als bekennender Schaltrollerfetischist eine nagelneue Vespa Sprint 125ie 3V entgegen.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Ok, zugegeben, „echtes Blech rostet“, aber auch hier kann ich beruhigen. Im Gegensatz zu vielen anderen Konkurrenten, hüllt sich die Sprint immer noch in ein an die Vespa Paperino von Vespa Ingenieur Corradino D’Ascanio erinnerndes Blechkleid. Somit kann auf eine lange Geschichte von Modellen zurückgeblickt werden. Anfänglich als Nachkriegsfahrzeug aus einer ehemaligen Waffenschmiede in Italien stammend, führt der Weg der Vespa als Fahrzeug der Mittelschicht über das neben der Lambretta bestehende Erkennungsmerkmal der 60er „Mod“-Generation bis in die Gegenwart.
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1944 Piaggio Paperino bzw. MP5 Paperino | Photo by Twice25 (Own work) [CC-BY-SA-3.0] |
Etwas verwirrend erschien jedoch die Namensgebung in Verbindung mit der Modellabstammung und dem Design. Als Largeframe besaß die Sprint 150 mitsamt ihren Modellvarianten den heute Anwendung findenden Trapezlenker. Ein Produktionszeitraum von 1965 bis 1976 spricht für die damalige als auch heutige Beliebtheit.
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1965 Vespa Sprint 150 | Photo by Khaosaming (Own work) [CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0] |
Zwei Jahre zuvor erblickte die Vespa 50 das Licht der Welt. Mit einem nahezu identischen Rahmen, Motorblock mit angepasstem Zylinder, Vergaser, usw. entwickelte sich 1968 die Primavera 125. Um die Verwirrung perfekt zu machen, folgte die Vespa 50/90 Super Sprint aus der Vespa 50. Ein gecutteter Rahmen, Werkzeugfach zwischen Sitz und Lenker, ein Droplenker sowie weiteren Kleinigkeiten zeichneten dieses Modell aus.
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1968 Vespa 125 Primavera | Photo by anonymous contributor from vespaforum.at |
Die aktuelle Sprint jedoch entwickelte sich aus der Primavera, besitzt einen Trapezlenker sowie 125 ccm und zählt zu den Smallframes. Klar soweit? Nein? A wuascht. Neben dem von uns gefahrenen Postlergelb (Giallo Positano), welches nebenbei angemerkt meiner Meinung nach die passendste Farbe ist, existieren noch die Farben blau (Blu Gaiola), rot (Rosso Dragon), weiß (Montebianco) und schwarz (Nero Lucido).
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Real men kick their Scooter? Ein Tritt ins Leere verriet mir, K(n)öpfchen muss man haben. Den Startknopf kurz betätigt und schon tuckert der bekannte 3-Ventiler los, der zudem hübsch aussehende Auspuff von Remus tut sein übriges. Der Verbrauch, angegeben mit 2,7 l/100 km, pendelt sich hier im guten Mittelfeld ein.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Auffallend vibrationsarm gibt sich der Motor in sämtlichen Drehzahlbereichen. Puch Maxi-Kenner wissen wovon ich spreche. Naja, mit besagtem Motorfahrrad spart man sich zumindest das Geld für Verstopfung-lösende Medikamente.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Bewegt man den Scooter in den unteren Drehzahlen, entfleuchen dem Auspuff angenehm tiefe Klänge. Etwas herber am Gasgriff gezupft, entfaltet er seine volle Lautstärke. Er veredelt die Geräuschkulisse, lässt das gesamte Fahrzeug sportlicher wirken. Jedoch wirkt das Gesamtkonzept von Cityscooter und Sportauspuff etwas inkonsistent. Also liebe Leute von Remus und Konsorten, über einen optionalen dB-Killer wären die Nachbarn zukünftiger Vespabesitzer bei der morgendlichen Fahrt zur Arbeit bestimmt nicht verärgert.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit bezüglich des Variomatik-Einsatzes in Kurven, erstaunte mich die Spritzigkeit des 11,7 PS starken Achtelliter Triebwerks. Einem Ampelstart aus erster Reihe, bei dem 99 Prozent der anzutreffenden Autos alt aussehen, steht somit nichts im Wege. Sogar das schlanke Blechkleid im Vergleich zur GTS verführt Regelrecht zur Einnahme der Poleposition. Lediglich die breiten Spiegel, welche weit über die Lenkerenden hinausragen, benötigen viel Fingerspitzengefühl.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Während eines kurzen Abstechers auf die Autobahn schaffte die Vespa den Sprint auf 90 ohne Probleme. Ab dieser magischen Grenze scheint ihr aber schnell die Luft auszugehen. Problematisch gesehen werden kann der schnelle Start von der Ampel nur in Bezug auf den Bremsenverschleiß, da man schon bei der nächsten angelangt ist, bevor diese überhaupt nur annähernd umschalten würde. Für die entsprechende Verzögerung zur Haltelinie sorgt vorne eine 200er Scheibenbremse sowie, etwas old school, hinten eine 140er Trommelbremse. Die Entfaltung der Verzögerung setzt angenehm gleichmäßig ein, soweit moderat in die Eisen gegriffen wird. Für den Notfall stehen aber genügend Reserven zur Verfügung.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Während der Fahrt über die Raffineriestraße in Wien 22, welche übrigens ihrem Zustand nach aus der Zeit der Vespa Paperino stammen könnte, musste das Fahrwerk seine volle Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Natürlich bügelt dieses starke Schlaglöcher nicht problemlos weg, jedoch wirkt das gesamte Fahrwerk sportlich abgestimmt mit Rücksichtnahme auf den Haupteinsatzzweck, den Stadtverkehr.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Die gesamte Steifigkeit des Rollers wird durch das Blechkleid zusätzlich unterstützt. Im Gegensatz zu Modellen des unteren Preissegment á la Liberty, wirkt die Vespa sehr straff und ein störendes Scheppern von diversen Anbauteilen sucht man vergebens.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Persönlich verstehe ich nicht die aufkommende Tendenz zu Wagenrad ähnlichen Reifendimensionen. Die 12 Zoll Reifen, mit einem Abstand von 1.340 mm, in Verbindung mit dem doppelten Federbein und der Schwingengabel harmonieren im vorgesehenen Einsatz vorzüglich. Optisch ansprechend wirken die filigran gegossenen Felgen, die man in der Primavera vergebens sucht. Spannenderweise hat sich das Grundkonzept der Schwingengabel übrigens von Beginn an kaum verändert, wurde aber für die Sprint überarbeitet.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Zum gegebenen Fahrkomfort trägt natürlich auch der fast schon zur Übernachtung einladende Sattel bei. Sogar einem längeren Ausritt zu zweit steht in Bezug auf Komfort nichts im Wege.Der Stauraum unter besagter Sitzraste bietet genug Platz für einen Integralhelm inklusive Nierengurt, Handschuhe und vielleicht einer dünnen Jacke und rangiert somit unter den „Kombis“ im Rollersegment. Vor allem, da auch im Kniebereich ein weiteres Fach für kleinere Mitbringsel – wie Verbandspäckchen oder eine kleine Wasserflasche – zu finden ist.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Raphael Gürth/autofilou.at |
Von einer Flugzeugteile-Resteverwertung ala Paperino zu Anbeginn der Vespa Erfolgsgeschichte ist heute natürlich nichts mehr zu merken, da sich Vespa mit der Sprint im qualitativ hochwertigem Segment bewegt, was auch bei der Preisgebung deutlich wird. Die Sprint schlägt nämlich mit einem Preis von 4.500 Euro zu Buche, ist aber immerhin 500 Euro billiger als die Basisversion der GTS 125ie Super.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Die Frage ob die Qualität nur oberflächlich zu sehen ist, ergab sich während des Tankvorganges. Der angegriffene Gummiring des Tankstutzens sollte nach knapp 900 km sicherlich nicht so aussehen. Eine Recherche nach dem Produktionsstandort (vl. Indien?) ergab leider kein brauchbares Ergebnis. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die in Indien produzierte LML, welche mit der Vespa PX zu 90 Prozent ident war, in der Anfangszeit massive Probleme mit der Verarbeitung und vor allem mit der Qualität der Gummiteile hatte, was zu regelmäßigen Ausfällen führte. Also ein kleiner Tipp am Rande: Immer auf die Gummiteile, vor allem in Verbindung mit elektrischen Teilen, achten.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Rainer Petermann/autofilou.at |
Referenzierend auf alte Gewohnheiten in Zeiten der Scooterist-Rocker Rivalität, bei welchen auf Rockerfestivals der Vespa-Weitwurf Anklang fand, möchte ich abschließend sagen, sollte einer besagter Zweiradfahrer mir die 130 kg schwere Vespa nachwerfen, würde ich ihr eher entgegenlaufen als von ihr weg.
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Christoph Adamek/autofilou.at |
Daten Testmotorrad | Vespa Sprint 125ie 3V | Basispreis: 4.499 Euro | Motor: luftgekühlter 1-Zylinder 4-Takt-Benziner | Hubraum: 124 ccm | Leistung: 7,9 kW/11 PS bei 7.700 1/min | Drehmoment: 10,4 Nm bei 6.000 1/min | Getriebe: Automatik mit stufenloser Variomatik | Höchstgeschwindigkeit: ~91 km/h | Gesamtlänge/-breite/-höhe: 1.870/735/1.170 mm | Sitzhöhe: 785 mm | Radstand: 1.340 mm | Kraftstofftankinhalt: 8 Liter | Kraftstoff: Superkraftstoff bleifrei (ROZ 95) | Gewicht fahrfertig: 130 kg | Max. zulässiges Gesamtgewicht: 305 kg | Abgasnorm: Euro 3 | Ausstattung: LED Beleuchtung, Analog-Digitaler Tacho
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2014 Vespa Sprint 125ie 3V | Photo © Raphael Gürth/autofilou.at |