Rallye Dakar: Hirn gewinnt!
Nach mehr als 9.000 zurückgelegten Kilometern, innerhalb der letzten zwei Wochen, stehen die Sieger der diesjährigen Rallye Dakar fest. Die Überraschung: Zum ersten Mal, in der Geschichte der härtesten Rallye der Welt, gewinnt mit Matthias Walkner ein Österreicher die Motorradwertung! Carlos Sainz holt sich den Titel der Auto-Kategorie.Was wir von der 40. Auflage der Rallye Dakar mitnehmen.
Dass Matthias Walkner mit seiner KTM die Motorradwertung der Rallye Dakar 2018 gewonnen hat, ist super. Noch superer ist aber die Art, wie er sie gewonnen hat. Nicht durch schnödes Vollgas nämlich, sondern durch bessere Navigation und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die ersten neun Etappen war er unauffällig in der Spitzengruppe mitgefahren, hatte beobachtet, wie sich Gegner, die auch nur ein kleines bisschen zu viel Gas gegeben hatten, aus dem Rennen katapultierten und sich seinen Teil gedacht. Den dachte sich auch Hiasis Mentor Heinz Kinigadner: „Mir scheint, der Hiasi kann nit schneller.“
Doch der hatte einen Plan:
„Ich wollte mich voll auf die Navigation konzentrieren.“
Schon die letzte Vorbereitungsrallye in Marokko hatte er so gewonnen. Am zehnten Tag kam endlich seine Chance: Die Strecke zwischen Salta und Belén kann man sich als ein Labyrinth ausgetrockneter Bachbetten vorstellen. Schwierig zu fahren, aber noch schwieriger zu navigieren.
Walkner gewinnt mit Hirn
Bei der Dakar geht es nicht nur darum, von A nach B zu gelangen, man muss unterwegs auch Wegpunkte innerhalb eines Mindestabstandes von wenigen hundert Metern passieren. Verpasst du einen, gibt es Strafzeit – oder du wirst überhaupt disqualifiziert. Während die schnelle Bande davonturnte, nahm Walkner Gas raus, navigierte gründlich, fuhr so als einziger rechts aus dem Bett raus, erwischte den Canyon mit dem Wegpunkt und war auf und davon. Bis die Konkurrenz den Fehler bemerkt, eingestanden, umgekehrt und den Wegpunkt gefunden hatte, war Walkner uneinholbar – bis zum Ende der Veranstaltung. Mit einer einzigen klugen Aktion hat er 50 Minuten gewonnen. So schnell kannst du gar nicht fahren, dass sich das durch reines Angasen irgendwie ausginge.
Wir lernen: Lieber nachdenken, zwei Mal schauen, und wenn du dir deiner Sache sicher bist, dein Ding durchziehen, ganz egal, was die anderen tun. Die Mehrheit kann sich nämlich auch täuschen. Oft sogar sehr gründlich.
Top Fahrer von Pech verfolgt
In der Auto-Kategorie waren die vier bildschönen Peugeot 3008 DKR Maxi hohe Favoriten, und trotzdem wurde es noch knapp. Technisch waren die breiten, minimalistisch aufgebauten und von Dreiliter-Benzinern befeuerten Buggys ohnehin eine Augen- und Ohrenweide, aber auch die Qualität der Fahrer suchte ihresgleichen. Peterhansel und Sainz hatten die Rallye Dakar bereits im Auto gewonnen, Despres fünf Mal am Bike, und Loeb kann ohnehin alles, was mit einem Lenkrad zu tun hat. Und doch sollte die Angelegenheit knapper werden als gedacht.
Ausfall Nummer eins: Nachdem Séb Loeb eine dieser peruanischen Wüstenetappen im weichen Sand gewonnen hatte, musste er am nächsten Tag eröffnen, übersah ein Loch und detonierte darin. Das wäre nicht so schlimm gewesen, hätte sich Beifahrer Daniel Elena beim Aufprall nicht Kreuz und Steißbein dermaßen beleidigt, dass an Weiterfahren nicht zu denken war.
Oder Cyril Despres: Gut unterwegs, locker und schnell, bis der Rest eines versteckten Baumstammes die linke Hälfte der Hinterachse abrasierte. Keine Chance, das selbst zu reparieren. Bis der T4, der Servicetruck, da war, waren Stunden Rückstand zusammengekommen. Und dann konnte man erst mit der Reparatur beginnen.
Oder Stéphane Peterhansel: Alles sah nach einem souveränen Sieg von „Mister Dakar“ aus, bis ihm ein ähnlicher Schnitzer wie Kollegen Despres unterlief. Das Auto breiter als gedacht, fehlte schlagartig ein Teil der hinteren Radaufhängung. Despres kam des Weges, zu viert schraubten die beiden Besatzungen die guten Despres-Teile auf das beleidigte Peterhansel-Auto, mitten im Sand, in glühender Hitze. Ein Wunder, dass das nur wenig mehr als eine Stunde gedauert hat. Der Sieg war trotzdem weg.
Oder Nani Roma, Speerspitze des deutschen X-Raid-Teams: Schwer übermotiviert, um das unterlegene Auto, das als MINI gelabelt rumfuhr, zu kompensieren, überschlug er sich schon nach wenigen Tagen.
Carlos Sainz gewinnt seine 2. Rallye Dakar
Nur einer klagte nie, probierte nichts und fuhr einfach: Carlos Sainz, 55 Jahre alt, hielt sich aus allem raus, attackierte nie, verwaltete klug und hatte neben dem Benefit der Erfahrung auch das Glück des Tüchtigen. Eine Zeitstrafe von 10 Minuten, weil er beim Überholen einen holländischen Quad-Fahrer touchiert haben soll, das war das Maximum an Unbill während zweier Wochen Südamerika.
Auch sein Peugeot 3008 DKR Maxi sah im Ziel beinahe aus wie neu: Einmal waschen, Öl wechseln und Scheiben putzen, dann hätte Sainz auch wieder umdrehen und die Strecke in Gegenrichtung noch einmal fahren können, von Cordoba über La Paz nach Lima. Aber das braucht nach beinahe 9.000 Kilometern in zwei Wochen echt keiner mehr.