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2023 Tesla Model S Plaid im ersten Test!

Fast zwei Monate nachdem in Deutschland erste Fahrberichte und YouTube-Videos zum Tesla Model S Plaid (und X Plaid) online gingen, bekamen nun wenige auserwählte österreichische Medienvertreter die Chance auf einen halben Tag mit der geisteskranken Limousine. Filou Raphael war einer der Glücklichen.

Tesla Model S Plaid: Geisteskrank!

Jeden der zehn angebotenen Tage hätte ich für meinen Halbtagstest mit dem Tesla Model S Plaid wählen können, doch ich entschied mich genau für den Tag an dem es regnete. Das Glück hatte es offenbar erneut nicht gut gemeint mit mir. Schon bei meinem Reichweitentest des Model Y Performance, letzten Sommer, meinte Petrus die Himmelsschleusen öffnen zu müssen. Doch das hat für Euch, meine Leser, auch einen Vorteil: Es bringt ungeschönt die Realität zu Tage. Und so nahm ich den Regen auch diesmal sportlich. Schließlich schenkt er uns einen deutlichen Mehrwert gegenüber anderen Medien. Denn wer macht schon Reichweitentests bei Schlechtwetter?

„Reichweitentest? Da wirst Du aber lange unterwegs sein.“, warf mir der sympathische Tesla-Mitarbeiter bei der Schlüsselübergabe entgegen. Mit frisch entleerter Blase stellte ich mich auf eine Dreieinhalb-Stunden-Fahrt ein, schließlich sind Tesla im Allgemeinen doch für ihre Effizienz bekannt und das Model S Plaid mit einer 100 kWh (brutto) fassenden Batterie ausgestattet. Damit sind, zertifiziert nach WLTP, 600 Kilometer Strecke möglich – ja, mit den am Testwagen montierten, riesigen 21 Zoll Spinnenrädern, genannt Arachnid.

Wer auf dieses 4.900 Euro Upgrade verzichtet, spart nicht nur viel Geld, sondern gewinnt auch deutlich an Reichweite. Mit den Aufpreis-freien 19-Zöllern geht’s bis zu 695 Kilometer weit.

So oder so liegen diese Distanzen in weiter Ferne. Nicht nur weil der Akku bei meiner Abfahrt „nur“ zu 90 Prozent geladen war, Winterreifen aufgezogen waren (Pirelli P Zero™ Winter), es fünf Grad Celsius Außentemperatur hatte (das Auto war über Nacht im beheizten Showroom abgestellt) und eben leichten Regen bei meiner Abfahrt. Nein, auch weil Autobahntempo schlichtweg weit weg von WLTP-Werten liegt.

Dennoch: Erst kürzlich veröffentlichte Motor.no einen Reichweitentest bei dem das Tesla Model S (nicht der Plaid, die „normale“ Version) von seinen zertifizierten 634 Kilometern, im Winter nur 16,4 Prozent einbüßte. Mit 530 Kilometern Realreichweite kam es so weit wie kein anderer Kontrahent und das, obwohl es sich vor der Abfahrt nicht bis 100, sondern nur bis 98 Prozent aufladen ließ.

Die Misere mit der Reichweite

Ich war bei meiner Abfahrt also guter Dinge. Erfreute mich bloß einmal – bei der Autobahn-Auffahrt – am Plaid-Mode und den maximal anliegenden 1.020 PS und 1.428 Nm Drehmoment. Das ist komplett geisteskrank und der Führerschein schneller weg, als man dem Freund und Helfer unterwürfig „Bitte Bitte“ entgegenwerfen könnte. Zurück zur Reichweite, besser gesagt dem Verbrauch. Ich war vom Süden Wien aus gen Westen unterwegs (im „Lässig“-Modus). Mir war also bewusst, dass nicht nur der Regen die Reichweite drücken würde, sondern auch die Steigung, schließlich fahren wir „Donau-aufwärts“. Zusätzlich, wie sollte es bei meinem Glück auch anders sein, blies mir der Wind mit Böen von bis zu 18,1 m/s (~65 km/h) exakt aus dem Westen entgegen. Dem Model S sollte das ziemlich „Banane“ sein, proklamiert Tesla doch einen hervorragenden cW-Wert von 0,208 für die fünf Meter Limousine. Doch die Realität sah leider etwas anders aus. Je weiter ich Richtung Oberösterreich kam, desto höher kletterte der Verbrauch, gipfelte bei Amstetten West – meinem Wendepunkt – in 30,7 kWh/100 km. Bei einer geschätzten, nutzbaren Batteriekapazität von etwa 92 kWh, ergäbe dies unter diesen widrigen Bedingungen exakt 300 Kilometer. Mittle ich den Verbrauch von Hin und Rückweg, sind es immer noch 29 kWh/100 km und somit mit vollem Akku nicht mehr als 320 Kilometer. Ziemlich bitter, um ehrlich zu sein.

Tesla Model S Plaid im Nachladen fast unschlagbar!

Etwas geknickt, stöpselte ich den Stromer dann am gut ausgelasteten Supercharger im Gewerbepark Stadlau, im Norden Wiens, an, nachdem ich ihn mit Leichtigkeit runter bis auf null Prozent fuhr. Und schnell hob sich meine Stimmung wieder. Direkt nach dem Anstecken schoss die Ladeleistung auf 160–170 kW hoch, bevor sie schon nach drei Minuten – bei 6 % SoC (State of Charge; z. Dt. Ladestand) – die 200 kW-Marke durchbrach. Keine 30 Sekunden später warf mir das hochauflösende Fahrerinformationsdisplay die offiziell angegebene Spitzenladeleistung von 250 kW entgegen. Auf diesem Plateau blieb die Leistung unglaubliche sieben Minuten lang, bevor sie langsam abfiel. Erst zwei weitere Minuten später fiel die Leistung wieder unter 200 kW. Sehr beeindruckend! Eben auch, weil von den 16 Supercharger-Plätzen, die meiste Zeit über, rund die Hälfte belegt war.

In meinem Test dauerte es exakt 27 Minuten und 21 Sekunden von 10–80 Prozent. Unglaublich! Selbst von fünf Prozent weg, waren es lediglich 29 Minuten und 2 Sekunden bis 80 Prozent erreicht waren. Dann lädt das Model S Plaid immer noch mit 70 kW Leistung weiter. Bei 85 Prozent sind es 60 kW und bei 90 Prozent (nach 41 min.!) immer noch 50 kW. Einzig am Mercedes-Benz EQS beißt sich der Amerikaner in Hinsicht auf nachgeladene kWh die Zähne aus. Gut, ganz fair ist dieser Vergleich nicht, verfügt die deutsche Reiselimousine doch über mehr (~12–15 kWh) Brutto-Batteriekapazität.

E-Autos meisten nachgeladenen kWh schnellste Lader Aufladen beste Stromer
Image © Raphael Gürth/autofilou.at

Anmerken möchte ich auch, dass die hohen Ladeleistungen nur am Tesla Supercharger zu erreichen sind. An Hypercharger von Drittanbietern (IONITY, SMATRICS, ENBW, …) bekommt der Ami-Schlitten aufgrund eines gedeckelten maximalen Ladestroms von 500 Ampere nicht mehr als 200 kW Ladeleistung. Mehr als ein Zwei-Minuten-Lade-Plus sollte dieses Limit jedoch nicht verursachen.

So fährt sich das 140.000 Euro teure Tesla Model S Plaid!

Abgesehen von der eingangs erwähnten, geisteskranken Beschleunigung, liegt das Model S Plaid jederzeit erhaben auf der Straße. Das Luftfahrwerk macht einen hervorragenden Job, die Sitze sind angenehm und wer will kann sich vom „Autopilot“ genannten aktiven Spurhalteassistenten mit Abstandsradar über die Autobahn kutschieren lassen. Wenngleich dieser bei den widrigen Bedingungen immer mal wieder seinen Dienst quittierte. Das Yoke – das Steuerruder – liegt erstaunlicherweise hervorragend in der Hand, auch wenn ich mir dennoch das runde Lenkrad holen würde (ab Werk gratis oder sonst für 900 Euro Umrüstung beim Tesla Dealer). Damit lässt sich schlichtweg einfacher reversieren. Lenkstockhebel gibt es aber auch dann nicht. Die Suche nach den Blinker-Tasten, z. B. im Kreisverkehr, bleibt also wohl auch mit dem runden Volant bestehen. Ein Glück, dass zumindest beim Spurwechsel das Blinken automatisch beendet wird, sobald man die gewünschte Fahrspur erreicht hat. Sehr zuvorkommend. Leider verdeckt das breite Yoke dem Fahrer etwas den Blick auf den Monitor. Das Bild der Totwinkel-Kamera ist dennoch gut sichtbar platziert.

2023 Tesla Model S Plaid test review fahrbericht Midnight Silver Metallic Arachnid 21-Zoll
Photo © Raphael Gürth/autofilou.at

Auch die Geräuschdämmung ist sehr gut, wenngleich nicht auf dem Niveau des EQS. Lenkung, Fahrwerk und Beschleunigung können, in gewohnter Tesla-Manier, zigfach verstellt werden. Die Sprachbedienung funktioniert tadellos, die Routenplanung ebenso und die Bedienung ist meiner Meinung nach sehr intuitiv. Wer ein Smartphone bedienen kann, kommt auch damit klar.

Fazit

Ja, die durchaus als mager zu bezeichnende Reichweite schmälert meinen ansonsten guten Gesamteindruck. Schließlich bekomme ich für 140.000 Euro (Testwagen: 153.270 Euro) zwei Tesla Model Y Performance aus deutscher Produktion. Die bieten ähnlich viel Platz und Reichweite, und dank dreigeteilt umlegbarer Rücksitzbank auch mehr Praktikabilität als das Tesla Model S (Plaid). Die Qualitätsanmutung mit den schicken weißen Sitzen (+2.400 €) und dem Karbonfaser-Dekor passt zum Preis. Hier wackelt oder knarzt nichts. Und bei Ladeleistung und Batteriegarantie (8 Jahre od. bis 240.000 km) macht dem Luxus-Stromer so schnell auch keiner was vor. Wer das Geld hat, die Beschleunigung und das Ladenetzwerk zu schätzen weiß, der ist hier goldrichtig aufgehoben.

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