Im Test: Hyundai IONIQ 5 Top Line Long Range 72,6 kWh 4WD
Nachdem sich der IONIQ 5 mit Heckantrieb bereits letzten Herbst als hervorragendes Elektrofahrzeug platzierte, konnte ich nun die Allradvariante Hyundai IONIQ 5 Top Line Long Range 72,6 kWh 4WD zum Test bitten.Hyundai IONIQ 5: 4WD tut kaum weh!
Mit oder ohne Allrad? Vor dieser Frage bzw. Entscheidung könnte der eine oder andere IONIQ 5-Käufer – oder besser Leasingnehmer (Anm.: Die meisten E-Autos werden geleast) – stehen. 3.000 Euro mehr verlangt Hyundai Österreich laut Liste für die extra E-Maschine an der Vorderachse inklusive der mechanischen Trenneinheit, genannt DAS (Disconnector Actuator System). Diese sorgt dafür, dass die permanenterregte Synchronmaschine (PSM) des Allrad-IONIQ 5 nicht fortwährend Schleppverluste erzeugt, wenn nur der hintere Motor gebraucht wird – auf der Autobahn zum Beispiel. Die etwa 100 Kilogramm Mehrgewicht können die Ingenieure jedoch nicht „wegzaubern“, weshalb ein IONIQ 5 mit Allrad unterm Strich sowohl auf der Autobahn als auch in der Stadt mehr verbraucht als die 1-Motor-Variante. Aber wie groß ist der Unterschied?
Die Reichweite des Hyundai IONIQ 5 4WD
Während der Hecktriebler letzten Herbst bei idealen 26 °C mit rollwiderstandoptimierten Sommerreifen in 20 Zoll zum Test antrat, musste sich der Allradler bei unter 10 °C und entsprechenden Winterreifen in 19-Zoll beweisen. Die auf der Autobahn herausgefahrenen 30 Kilometer Differenz (300 zu 270 km) dürften bei gleichen Bedingungen wohl auf wenige Kilometer schrumpfen. In der Stadt hingegen, wo das Gewicht eine entscheidendere Rolle einnimmt und der zweite Motor bei nahezu jedem Anfahren zum Einsatz kommt, sind die Unterschiede eklatanter. Den Verbrauch im 4WD-IONIQ 5 urban auf unter 20 kWh/100 km drücken? Im Winter ein Akt der Unmöglichkeit. Die WLTP-Reichweite von 460 Kilometer rückt in weite Ferne, 350 km sind hier realistisch. Zum Vergleich: Im 2WD-IONIQ 5 waren mit Leichtigkeit 13 kWh/100 Kilometer Stadtverbrauch realisierbar.
Mehr Reichweite in Sicht!
Gut, dass bereits für diesen Herbst eine um 4,8 kWh größere Batterie angekündigt ist – die Listenpreise steigen damit zugleich um 1.000 Euro. Dann werden aus 72,6 77,4 kWh und somit auf der Autobahn bei – Annahme – gleichem Verbrauch (26,8 kWh/100 km) 290 Kilometer Reichweite. Somit würde der Hyundai IONIQ 5 zumindest in dieser Hinsicht mit dem KIA EV6 gleichziehen. Es wird dann endlich auch die Möglichkeit der Laderoutenplanung im Auto selbst und der Vortemperierung der Batterie vor einem Ladevorgang geben. Denn selbst nach einer Stunde Autobahnfahrt bei 9 °C Außentemperatur wollte die Akkutemperatur nicht auf mehr als 14 °C steigen. Für die optimale Ladeleistung sollten es jedoch 25 °C sein. So rücken die versprochenen 18 Minuten von 10–80 % SoC (State of Charge) in weite Ferne. Immerhin waren es bei mir „nur“ 24 Minuten. Es gibt aber auch Berichte, die Richtung 40 Minuten gehen. Man kann daher nur hoffen, dass auch aktuelle IONIQ 5 das Update zur Vortemperierung bekommen…


Der Rest des 4WD-Testwagens verhält sich wie der 2WD-IONIQ 5, nur dass er mehr Dampf hat. Aus 218 PS werden dank zweitem Motor 305 PS. Damit legt das 4,64 Meter lange Crossover seine von mir attestierte Schwerfüßigkeit ab und sprintet in 5,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Querdynamisch bleibt er der bullige, gemütlich ausgelegte Stromer. Die 19-Zöller unterstreichen dies zusätzlich. Kein Vergleich zu den bockigen 20-Zöllern letzten Herbst. Der Wendekreisdurchmesser liegt weiterhin bei großen 12 Metern, das Kofferraumvolumen bleibt mit 531 Litern gleich, nur der vordere Stauraum – Frunk – schrumpft von brauchbaren 57 auf magere 24 Liter. Aber: Besser haben als nicht haben. Das diesmal am Testwagen verbaute Photovoltaik-Dach (+1.790 Euro) würde ich durch das 1.390 Euro teure Panorama-Glasdach ersetzen. Warum? Lest es hier:
7 Punkte, bei denen der Hyundai IONIQ 5 seine Konkurrenz alt aussehen lässt!
Filou Raphael nennt 7 Gründe, warum der Hyundai IONIQ 5 DAS Elektroauto des Jahres 2021 ist. Seid gespannt!
Das Interieur
Selbst ohne Panorama-Glasdach erfreut der Innenraum mit Luftigkeit. Ein Engegefühl kommt trotz des dunklen Trimms (der Dachhimmel ist weiterhin hell) nicht auf. Das demonstriert meines Erachtens nach gut, wie viel Platz im Innenraum des IONIQ 5 tatsächlich ist. Die „Abgespactheit“ des Exterieurs verliert sich mit dem schwarzen Ledergestühl dafür vollends. Innen wirkt der IONIQ 5 also wie ein „normales“ Auto. Zwei Displays mit je 12,3 Zoll Diagonale, ein separates (Danke Hyundai) Klimabedienteil und – vielleicht das außergewöhnlichste – eine verschiebbare Mittelkonsole mit zwei Getränkehaltern und induktivem Ladepad fürs Smartphone. Die Rekuperation kann in Stufen via zweier Wippen am Lenkrad bis hin zu One-Pedal-Driving geschaltet werden.
Die Preise
Der Allrad-Einstieg gelang bislang bei 52.990 Euro für den 2022er Hyundai IONIQ 5 Plus Line Short Range 58 kWh 4WD. Im Modelljahrgang 2023 wird die kleine Batterie nicht mehr in Kombination mit Allradantrieb angeboten. Die große Batterie mit Allradantrieb gab es bisher im Hyundai IONIQ 5 Plus Line Long Range 72,6 kWh 4WD ab 55.990 Euro und künftig für 56.990 Euro. Mein Hyundai IONIQ 5 Top Line Long Range 72,6 kWh 4WD-Testwagen kostete bis April 2022 ab 60.990 Euro und seither eben um 1.000 Euro mehr für die MY23-Modelle, die auch in der folgenden Grafik eingebettet sind:
Fazit
Der Hyundai IONIQ 5 4WD ist auf der Langstrecke kaum, in der Stadt jedoch bedeutend durstiger als die Heckantriebsvariante. Der Rest ist wie gewohnt: Es gibt (noch) keine Laderoutenplanung oder die Möglichkeit der Batterievortemperierung, der Wendekreisdurchmesser ist meiner Meinung nach zu groß und der Lenkstockhebel kämpft weiterhin gegen mein rechtes Knie. Dafür bekommt man beim „World Car of the Year 2022“ fünf Jahre Fahrzeuggarantie ohne Kilometerbegrenzung (8 Jahre auf die Batterie), einen geräumigen Innenraum und, mit montierten 19-Zöllern, ein richtig komfortables Fahrzeug.