Der 2024 Toyota Prius Plug-in-Hybrid Advanced im Test!
Der Toyota Prius hat einen unglaublichen Wandel vollzogen. Vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan könnte man fast sagen. In der fünften Generation macht der Prius vieles richtig, aber nicht alles.Der Toyota Prius: Der Streber, der sie alle kriegt!
Könnt ihr euch an eure Schulzeit erinnern? Schließt mal die Augen (bitte nur sprichwörtlich, ihr sollt ja den Text weiterlesen) und denkt zurück an die Zeit, in der euer Gesicht mit lästigen Pickeln übersät war und Mädchen, oder auch Jungs, gar nicht mehr so doof waren wie noch ein paar Jahre zuvor im Kindergarten. Denkt zurück an eure Klassenkameraden. Euren besten Freund neben euch, euren Crush hinten links. Und ganz vorne, in der ersten Reihe, direkt vor dem Lehrerpult, der Klassenstreber. Trotz brillanter Leistungen ist er immer von dir und deinen Freunden belächelt worden. Die Mädels fanden den „Lauch“ auch nur so semi-interessant, meistens nur dann, wenn sie Hilfe bei den Hausaufgaben brauchten.
Und jetzt google diesen Streber von damals mal. Wie hieß er noch gleich? Stefan, oder Matthias? Tobias war’s, also fast wie Matthias. Aha, LinkedIn zeigt einen sportlichen Kerl, adrett mit Anzug gekleidet und die dicke Brille hat er wohl dort gelassen, wo auch die Zahnspange ist. „Bist deppert“, denkst du dir, „aus dem ist ja was geworden.“ Und ein Blick auf seinen aktuellen Job zeigt dir, er ist CEO eines riesigen Unternehmens und bei den Frauen kommt er jetzt vermutlich auch besser an als du. Übertragen auf die Automobilwelt, bist du ein einfacher Golf. Und der Streber von damals? Er ist der Toyota Prius.
Die Geschichte des Toyota Prius
Eine lange Einleitung, ich weiß. Doch werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte des Vorzeige-Hybriden, wird dir klar werden, was ich mit Pickeln und Strebern meine. Toyota brachte den ersten Prius Hybrid Ende 1997 auf den Markt. Bis er dann zu uns (und in die Staaten) kam, dauerte es noch ein paar Jahre. Und so wirklich Anklang fand die 4,28 m lange, Kompakt-Limousine nicht. Sie leistete aber Pionierarbeit und war das erste Auto, das den Hybridantrieb in Großserie an Mann und Frau brachte.
Die zweite Generation (4,45 m lang) konnte schon mehr Fans überzeugen. Und zwar solche, die meist selbst ein paar Fans hatten. Tom Hanks, Leonardo DiCaprio, Miley Cyrus, Cameron Diaz, Julia Roberts, Bradley Cooper und so ziemlich jedes andere Sternchen in Hollywood hat einen Prius der zweiten oder dritten Generation besessen. Ob das nur aus „Öko-Gründen“ passierte oder sich die A bis Z Promis am stufenlosen CVT-Getriebe so erfreut haben, ist nicht überliefert. Fakt ist: Der Prius wurde nach und nach in der Gesellschaft akzeptiert und erlangte über die Jahre Kultstatus.
Der Toyota Prius war und ist aber nicht nur ein Prestigeobjekt. Er ist auch ein echter „Hackler“. Egal ob im Big Apple oder mitten in Simmering, auch als Taxi erfreut sich der Prius großer Beliebtheit. Sehr gefragt war der Prius+, der 2011 auf den Markt kam. Mehr Platz, vor allem bei der Kopffreiheit, und Platz für bis zu sieben Personen. Taxler-Herz, was willst du mehr? Der Prius+ war sogar so begehrt, dass sich einige Taxiunternehmen ihren Fuhrpark noch mit neuen Exemplaren ausstatteten, bevor er 2021 vom Markt genommen wurde.
Der Toyota Prius erfuhr Akzeptanz in der breiten Masse und machte sie vertraut mit der Elektromobilität. Und zwar in so einem Ausmaß, dass Toyota in einer Umfrage vor einigen Jahren als bekannteste E-Auto-Marke hervorging. Ohne auch nur ein einziges E-Auto im Portfolio zu haben. Das hat sich mit dem bz4X mittlerweile geändert. Und geändert hat sich auch der Prius.
Geschichtsstunde vorbei: Der Toyota Prius im Hier und Jetzt!
Schau dir mal diesen gelben Pfeil an! Ein bisschen tiefer, die hinteren Türen weg und fertig ist der Lamborghini. Gut, dazu bräuchte es noch einen Antrieb mit deutlich mehr Power, aber optisch macht der Prius was her. Vor allem in der Lackierung des Testwagens, die sich Mustard Metallic nennt (+550 €). Es ist ein stylisches und fesches Auto geworden. Etwas, das man über einen Prius bislang nicht gesagt hätte. Beim Neuen trifft es aber zu. Denkt an den Streber von damals in seinem Anzug: Das ist der neue Prius.
Wo Licht ist, ist aber auch Schatten. Und so führt die Keilform dazu, dass die Übersichtlichkeit nicht die Beste ist. Vor allem nach vorne. Die steil abfallende Nase lässt dich nur erahnen, wo das Auto ungefähr endet. Beim Einparken alles andere als gut. Toyota bietet dafür aber eine Kamera an, die ihr Bild auf den Screen des Infotainmentsystems wirft. Nicht die einzige Kamera, die bei der Rundumsicht hilft. Der Innenspiegel spielt eine Doppelrolle als Bildschirm. Mit einem Kippschalter wird der Spiegel zum Screen und hilft so, die Sicht nach hinten zu verbessern. Vorausgesetzt, man fährt nicht gerade bei Regen oder Schnee. Da verdreckt die außen platzierte Kamera leider ein wenig. Der Renault Megane E-Tech Electric zum Beispiel löst das Problem, indem er seine Kamera für den Rückspiegel hinter die Heckscheibe gibt. So wischt der Scheibenwischer den Dreck von der Scheibe und der „Innenspiegel“ aka Monitor liefert stets ein klares Bild.
Das abfallende Heck hat noch ein Problem, nämlich die nahezu nicht vorhandene Kopffreiheit im Fond. Wenn du älter als 14 und größer als 1-Meter-75 bist, wirst du dir dort regelmäßig den Schädel anhauen. Kein Wunder, dass Taxler früher lieber zum Prius+ gegriffen haben.
Warum das Kofferraumvolumen vollkommen egal ist, der Antrieb aber nicht.
Ebendiese Taxler dürften sich auch nicht über das magere Kofferraumvolumen von nur 284 Litern freuen. Ein etwas kürzerer VW Golf der aktuellen Generation hat rund 100 Liter mehr zu bieten. Das geringe Kofferraumvolumen bekritteln auch einige Kollegen aus dem Motorjournalismus. Vollkommen zu Unrecht, wie ich finde. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wie oft fährst du im Jahr zu IKEA und kaufst dir eine neue Couch, die du dann in dein Auto quetschst? Einmal? Oder vielleicht sogar kein Mal, weil du seit fünf Jahren die gleiche hast? Fakt ist: Für den Alltag mit wöchentlichem Großeinkauf reicht der Kofferraum des Prius alle mal aus. Wer jeden Tag Waschmaschinen und Co transportiert, soll sich einen Transporter kaufen. Zugegeben: Ein Auto ist eine große Anschaffung und auch eine riesige Investition. Man hat ein bestimmtes Anforderungsprofil, an das sich das Auto anpassen muss. Wer also Kinderwagen oder öfter auch mal einen Kasten transportieren will, sollte besser zum Corolla Kombi oder dem RAV4 greifen. Für alle anderen, tut’s der Prius aber auch.
Leute, die sich für einen Prius interessieren, kaufen ihn aus einem ganz anderen Grund: Wegen des Antriebs. Elektrifiziert und sparsam, das zeichnet seit jeher den beliebtesten aller Hybride aus. Da kamen in den letzten Jahrzehnten natürlich einige Konkurrenten dazu. Selbst in den eigenen Reihen bei Toyota. In Generation Numero fünf gibt es aber eine maßgebliche Änderung. Statt dem Kunden die Auswahl zwischen Vollhybrid und Plug-in-Hybrid zu überlassen, wie bei vorigen Generationen, gibt es nun in Europa nur mehr den Stecker-Hybriden zu kaufen. Und der setzt sich aus einem Zweiliter-Saugbenziner mit 152 PS und einem E-Motor mit 163 PS zusammen. Zusammen leisten beiden Motoren 223 PS, die die Vorderräder antreiben und den 1,6-Tonner in 6,8 Sekunden von 0 auf 100 bewegen.
Zeit spielt aber nicht nur beim Fahren eine wichtige Rolle. Nachdem der Prius 5 nur noch als Plug-in in Europa erhältlich ist, muss der Gute auch an die Steckdose, um das Maximum an Verbrauchsersparnis einzufahren. Rund viereinhalb Stunden muss er an ebendieser hängen, damit die 13,3 kWh Batterie wieder voll aufgeladen ist. Laden kann der Prius nur mit Wechselstrom und mit maximal 3,3 kW. Rein elektrisch kommt man im Winter rund 50 Kilometer. Reicht für das tägliche Pendeln also vollkommen aus. Aufgeladen wird zusätzlich auch noch über ein Solardach (Serie bei der höchsten Ausstattung). 185 Watt soll es an guten und vor allem sonnigen Tagen leisten und damit Strom für bis zu 70 Kilometer in der Woche liefern. Unter uns: Da macht sich eine Photovoltaikanlage daheim besser.
Soweit die Zahlen, aber wie fühlt sich das an?
Die kurze Antwort: Mehr als ausreichend. Fast schon sportlich. Aber eben nur fast. Der Benziner hängt gut am Gas, einzig das CVT-Getriebe will die Kraft nicht so recht verteilen. Die Vorderräder versuchen bei beherztem Tritt aufs Gaspedal Grip zu finden. Bei Nässe machen sie das manchmal vergebens. Bis auf diese Kleinigkeit funktioniert die Kombination aus Verbrenner und E-Maschine aber in allen Lebenslagen wirklich gut. Der Prius gibt sich leise und unaufgeregt, halt so, wie der Klassenstreber damals auch immer.
Die Federung bügelt Unebenheiten weg und lässt den Prius äußerst satt auf der Straße liegen. Er schafft eine gute Balance aus gemütlichem und sparsamem Cruiser und flottem wie agilem Hot-Hatch. Die Lenkung ist zwar nicht die leichtgängigste, vermittelt dafür aber zu jeder Zeit volle Kontrolle über das Auto und gibt gutes Feedback. Dabei ist das Lenkrad so klein, dass man über den Kranz auf den kleinen Tachobildschirm schaut.
Sachlich, schlicht und solide: Der Innenraum
So aufregend das Äußere, so sachlich der Innenraum des neuen Prius. Die Materialien sind schlicht und hie und da gibt es Hartplastik zu sehen und zu erfühlen. Verarbeitet ist aber alles äußerst hochwertig und solide. Einen Pluspunkt gibt es für die bequemen Sitze und die vielen Knöpfe. Statt alles über ein fummeliges Touch-Bedienfeld oder den Infotainment-Screen zu bedienen, kann man Klimaanlage, Sitzheizung und -belüftung, Drive-Modi und zahlreiche andere Funktionen über normale Tasten und Knöpfe einschalten oder regeln.
Dabei wäre der 12,3 Zoll große Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts groß genug für die Bedienung einzelner Features. Stattdessen kann man sich auf dem riesigen Tablet nur je eine Funktion ansehen. Zum Beispiel das Navi oder das Radio oder Daten zum Fahrzeug, aber nie zwei Sachen gleichzeitig. Es gibt kein „Home-Menü“, keine Übersicht und keine Möglichkeit, Navi und Radio gleichzeitig einsehen zu können. Das nervt. Vor allem dann, wenn du mit der Bedienung beschäftigt bist und das Auto dich anschreit, dass du gefälligst auf die Straße blicken möchtest.
Die Sache mit dem GSR2
Das ist jetzt kein Prius spezifisches Problem, sondern betrifft alle neuen Autos: Die GSR2. Die General Safety Regulation 2 wurde von den UN ins Leben gerufen, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Ich vermute ja eher, es wird zu mehr Aggressivität, mehr Hupen und vielleicht auch mehr Unfällen führen. Warum? Gegenfrage: Fährst du in einer 50er-Zone wirklich 50 oder doch eher 53 bis 55 km/h nach Tacho, weil Du weißt, dass der ja sowieso eine Abweichung aufweist? Nerven dich die ganzen Assistenzsysteme und schaltest du sie immer sofort aus, bevor du losfährst? Ja, dann wirst du die GSR2 Regelung und alles, was sie mit Juli 2024 mit sich bringt, hassen.
Wenn man im Prius 53 km/h in einer 50er-Zone fährt, und das kann mal passieren, dann „bing-bing-bingt“ der Prius einen an. Gleiches gilt, wenn man länger auf das riesige Infotainmentdisplay schaut und zwischen Navi und Radio wechseln will. Ja sogar, wenn die Hand lässig oben auf dem Lenkrad liegt und so die Sensoren für die Gesichtserkennung verdeckt, schreit einen das System an. Die gute Nachricht: Man kann das „Bingen“ abschalten, die schlechte, man muss dies nach jedem Start machen und braucht mindestens einen Ingenieurstitel. Denn man muss sich mit den Tasten am Lenkrad durchs Bordcomputermenü schlagen, um das zu tun. Zusammengefasst: Die Regelung hat sicher ihre positiven Seiten, aber die dauernden Warnhinweise und die umständliche Abschaltung nerven.
Das kostet der Toyota Prius
Zu haben ist der Toyota Prius ab 44.290 Euro. Dafür gibt es eine Klimaautomatik, LED-Scheinwerfer und -Rücklichter, eine Rückfahrkamera und so ziemlich alle Assistenten, die man sich vorstellen kann. Die von uns gefahrene Top-Version Advanced kostet ab 51.690 Euro, bietet einen elektrischen Fahrersitz sowie Sitzheizung und -belüftung sowie ein Panorama-Kamerasystem und das schon erwähnte Solardach. Meiner Meinung nach viel Geld für einen Prius. Aber was nichts kostet, ist bekanntlich auch nichts wert. Und das führt mich zum…
Fazit
Kein Toyota Prius war cooler als die neue und fünfte Generation des Hybrid-Pri(m)us. Dass er nur noch als Plug-in-Hybrid zu haben ist, ist halb so wild. Fahrwerte, Dynamik und auch der Verbrauch gehen in Ordnung. Dass er etwas an Platz verloren hat, tut vielleicht den Taxlern weh, ich kam im Testzeitraum locker damit aus. Die Verarbeitung ist gut, der Komfort auch, nur die Assistenten nerven. Alles in allem aber ein wirklich gutes und ehrliches Auto, der neue Prius.