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Der Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC im Test!

Der Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC ist ein Traum an Fahrkultur, sein Innenraum an Eleganz kaum zu übertreffen und seine Reichweite für die meisten vollkommend ausreichend. Der vollelektrische Stuttgarter im Test.

Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC: Sweet Spot!

„AMG“ prangt jetzt also auch auf Elektrofahrzeugen. Fahrzeuge, für deren Stille wir grundsätzlich dankbar sein sollten. AMG assoziiere ich jedoch mit geilem (entschuldigt dieses obszöne Wort) Motoren- bzw. Auspuffsound. Die Befriedigung des Klangbedürfnisses, die für viele immer noch zum Erlebnis Automobil dazugehört, übernehmen im Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC deshalb künstliche Motorensounds, die vor allem im Innenraum und sogar im Stand aktiv sind. Sie nennen sich „Balanced“, „Sport“ und „Powerful“ und allesamt brauche ich nicht. Wobei man für Balanced schon sehr junge Ohren braucht. Auch wenn durch diese Sounds zumindest bei mir kein AMG-Feeling aufkommt, so ist der EQE ein großartiges Auto, das sich wie ein AMG bewegen lässt, aber dazu später mehr.

Der EQE hat einen kleinen Kofferraum, aber …

Wie beim EQS, der auf der gleichen Plattform steht, wirkt die Stromlinienform auch beim EQE abrupt abgehakt. „Stummelheck“, spotten manche. Was gut sein mag für die Aerodynamik, geht aufs Kofferraumvolumen. Magere 430 Liter passen in die 4,96 Meter lange Limousine – weniger als in jedes CLS Coupé. Für eine Familie mit zwei Kleinkindern und Kinderwagen wird’s da schon eng beim Wochenendausflug. Und ISOFIX-Halterungen gibt es nur an den beiden äußeren Sitzen der zweiten Sitzreihe, nicht aber am Beifahrersitz.

2022 Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC test review fahrbericht white weiß
Photo © Raphael Gürth/autofilou.at

Immerhin ist die Rücksitzbank serienmäßig dreigeteilt (40:20:40) umlegbar, allerdings vom Fond und nicht vom Kofferraum aus. Und einen Frunk, also vorderen Stauraum, gibt es – wie im EQS – auch im EQE nicht. Bitter. Das (schmutzige) Ladekabel findet zumindest in einem separaten Fach im Kofferraum sein Zuhause.

2022 Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC test review fahrbericht white weiß
Photo © Raphael Gürth/autofilou.at

… viel Platz auf der Rücksitzbank!

Dafür glänzt der lediglich 1,49 Meter hohe EQE (EQS: 1,51 m; i4: 1,45 m) mit solidem Platzangebot auf der Rücksitzbank – deutlich mehr als in der ähnlich langen E-Klasse zum Beispiel. Meine Bein-lastigen 1-Meter-93 fühlen sich in alle Richtungen richtig wohl. Die Haare streifen leicht am optionalen Panoramaglasdach, die Knie gerade nicht am Fahrersitz. Verwundert bin ich bloß über die Mittelarmlehne, die keine Getränkehalter beherbergt.

Richtig großartig: An USB-C-Anschlüssen und somit Stromquellen für lange Reisen mangelt es keinesfalls. Allein in der ersten Reihe sind es sechs (!) Stück, in der zweiten immerhin zwei. Und wer weiß, vielleicht hab‘ ich sogar welche übersehen…

1. Reihe, 1. Sahne!

Die Sitze der ersten Reihe sind großartig, bieten top Seitenhalt und Auflagefläche und sind voll Langstreckentauglich. Nur die Sitzverstellung ist wieder ein Jammer, ebenso wie die „Lenkradtasten“. Diese Feedback- und gefühllosen Touchtaster sind mir nicht nur in Küchen ein Dorn im Auge. Während ich bei der Sitzverstellung aufgrund mangelnder Bedienhäufigkeit und vorhandener Memory-Funktion noch ein Auge zudrücken kann, so nerven die Funktionen am Lenkrad (Lautstäke, Tempomat, …) nahezu bei jeder Fahrt. Aber genug gejammert. Mercedes-Benz kriegt dieses Feedback eh von allen Medien und vielen Kunden um die Ohren geworfen und wird wohl bereits bei den Facelift-Modellen einlenken.

In Wahrheit muss ich sagen, dass das Interieur des EQE auch ohne des optionalen Hyperscreens (+9.012 €!) sehr nobel daherkommt. Die Oberflächen in Holz- und Klavierlack-Optik schmeicheln den Augen und Händen. Das optional mit Microfaser-Handauflagen gesattelte Lenkrad ebenso. Nach wie vor sind die Klavierlackoberflächen jedoch Staub- und Fingerabdruck-Magneten. Das elegante Interieur vermittelt eine gewisse Ruhe. Apropos: Erstaunlich ist auch wie leise die Ingenieure den Innenraum trotz rahmenloser Seitenscheiben bekommen haben. Einzig aus den Radhäusern dringen vereinzelt Geräusche nach innen.

2022 Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC test review fahrbericht white weiß
Photo © Raphael Gürth/autofilou.at

Überstunden für Fahrwerksentwicklung

So viel Ruhe das Interieur und die Geräuschdämmung dem EQE zutragen, so ruhig und souverän fährt er sich auch. Schlichtweg ein Traum. Der direkte Umstieg aus dem Tesla Model Y Performance zeigt mir die deutliche Fahrwerksüberlegenheit der Deutschen. Nicht im Allgemeinen, hier sind beide Autos hervorragend, rollen satt ab. Doch im Detail, gerade bei den kleinen Stößen bzw. Störungen (Kanaldeckel, Fugen, Schlaglöcher, …), dämpft der EQE, wohl auch dank der serienmäßigen Luftfederung, viel sauberer weg.

So als ob die Fahrwerksentwickler von Daimler Überstunden geschoben hätten, während die Tesla-Jungs mal wieder am Code der Software schrieben. Und in diesem Fall kann ich die Fahrzeuge direkt vergleichen, sind doch beides die Performance-Varianten ihrer „zivilen“ Brüder und beide rollen auf 21 Zoll großen Rädern mit niedrigem Querschnitt daher.

Noch ein paar Worte zur Performance: In 4,2 Sekunden schnellt der 476 PS starke EQE 43 4MATIC auf Tempo 100. Mit Launch-Control ein brutales Ereignis. Dabei massieren die 21-Zöller das maximale Drehmoment von 858 Nm in den Asphalt, wie eine asiatische Massörin Knötchen aus meinem Nacken – ohne Gnade. Man kann auch ohne, aber wer es sich leisten kann, der genießt es immer wieder. Heißt: Brauchen tut diese Leistung wahrhaftig keiner, doch haben ist bekanntlich besser als missen.

Missen möchte ich auch die Allradlenkung nicht mehr. Die Agilität und Wendigkeit, die sie der 2,5 Tonnen schweren 5-Meter-Limousine angedeihen lässt, macht nicht einfach nur Spaß, sondern auch Sinn – vor allem in engen Innenstadt-Garagen. Im EQE-AMG geht sie mit bis zu 3,6 Grad, in allen anderen EQE serienmäßig mit 4,5 und optional mit 10 Grad Einschlagwinkel zu Werke. Für mich klar ein Pflicht-Kreuzchen. Gründlich überlegen sollte man auch die Felgengröße und somit indirekt die Reifenwahl. Die am Testwagen aufgezogenen Michelin Pilot Sport EV kosten mindestens 330 Euro pro Stück und werden, ob des vielen Drehmoments, wohl alle zwei bis drei Saisonen fällig. Außerdem drücken sie (Kraftstoffeffizienz C) die WLTP-Reichweite des EQE 43 4MATIC von 533 auf 473 Kilometer.

So weit kommt der EQE 43 4MATIC

Für einen geringeren Verbrauch – sowohl urban als auch auf der Autobahn – wäre es zudem von Vorteil, wenn nicht beide E-Maschinen permanenterregt wären, sondern eine von ihnen fremderregt, oder wie, in Hyundais und KIAs Allrad-Antriebsstrang einer der Motoren über eine Trennkupplung verfüge. Dann nämlich könnte eine Maschine bei Nichtbedarf frei mitlaufen und würde kaum bis keine Schleppverluste erzeugen.

So kommt es nämlich, dass ich den EQE innerstädtisch mit knapp 24 kWh/100 km und auf der Autobahn bei 130 km/h nach GPS mit gemittelten 25 kWh/100 km bewegte. Das ergibt bei einer nutzbaren Batteriekapazität von 90,56 kWh insgesamt Reichweiten von 360 bis 370 Kilometer bei sommerlichen Temperaturen und vollständig leergefahrenem Akku. Ohne Wärmepumpe – auch optional nicht – sieht es im Winter sicherlich deutlich schlechter aus mit der Reichweite.

Die Ladeleistung des EQE ist auf den ersten Blick kein Highlight. Gemessen an der riesigen Kapazität sind 170 kW Spitzenladeleistung kein herausragendes Merkmal. Doch wie beim EQS hält er sie über einen geraumen Zeitraum. Im Detail bis etwa 20 Prozent, bevor die Ladeleistung langsam zurückgeregelt wird. Dadurch ergeben sich Ladezeiten von 32 Minuten von 10 bis 80 Prozent, bevor weitere 250 Autobahn-Kilometer möglich sind – sofern sich parallel nicht auch gerade ein KIA EV6 anstöpselt, wie hier in der Ladekurve zu sehen…

Längere Fahrten sind dank meistens funktionierender Laderoutenplanung – manchmal werden nur wenige Ladestationen auf der Route gefunden (z. B. Wien–Stuttgart) – also kein Thema. Top: Für das Endziel als auch die Ladestopps können gewünschte Mindestkapazitäten eingestellt werden – um zum Beispiel nicht mit leerem Akku am Ziel anzukommen. Das System zeigt mir auch, dass es den gigantischen, optionalen Hyperscreen (siehe EQS-Testbericht) nicht braucht. Das Display ist bei weitem groß genug, lässt sich gut bedienen, ist nur ab und an etwas träge – direkt nach dem Fahrzeugstart zum Beispiel und beim Kartenaufbau. Die meisten Informationen legt einem zudem auch das gestochen scharfe, riesig große und farbige Head-up-Display dar.

So teuer ist ein EQE 43 4MATIC

Die Preise für den Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC starten derzeit (Okt. 2022) bei 105.240 Euro. Viel Geld, keine Frage. Per se kaufen werden ihn wohl die wenigsten, leasen hingegen die meisten. EQE 300 und EQE 350 hingegen fahren in unserer Preis-Reichweite-Grafik derzeit außer Konkurrenz.

EQE Preis zu Reichweite Konkurrenz Vergleich Comparison Difference Unterschied Competitors
Der Kaufpreis im Verhältnis zur Reichweite | Picture © autofilou.at

Fazit

Ja, der Mercedes-AMG EQE 43 4MATIC ist sowas wie eine besonders starke Version der schicken Elektrolimousine aus Stuttgart. Das AMG-Feeling kommt dennoch leider nicht auf. Ein Objekt der Begierde bleibt er dennoch, wenn auch für mich unleistbar. Und zumindest das teilt der EQE-AMG mit allen anderen AMGs.

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