Der 2024 Polestar 2 Long Range Single Motor im Test!
Mit dem Facelift gewinnt der 2024 Polestar 2 Long Range Single Motor an Charakter. Doch kann er damit die Massen begeistern? Filou Raphael ordnet das nach zweiwöchigem Test für Euch ein.2024 Polestar 2 Long Range Single Motor: Charaktersache!
Mit Ecken, Kanten und Schnitzern, so beschrieb Kollege Christoph im August den Alfa Romeo Tonale und auch, dass es solche Autos eigentlich nicht mehr gibt. Also jene mit Charakter, die nicht vollkommen glattgeschliffen sind. Und so einen PKW habe ich mit dem 2024 Polestar 2 Long Range Single Motor (LRSM) nun auch entdeckt. Lasst mich berichten.
Er lädt schnell, kommt weit, ist preislich attraktiv (in Relation zu anderen E-Autos) und fährt sich gut. Abgesehen davon gehört sein Infotainment zu den besten am Markt, die maximale Anhängelast (1.500 kg) ebenso. Nur beim Platzangebot im Innen- und Kofferraum wünschte ich mir ein Quäntchen mehr. Dennoch: Prädikat Empfehlenswert!
Filou Raphael zum Polestar 2 LRSM im Juli 2022
Der 2022 Polestar 2 Long Range Single Motor im Test!
Mehr „normales“ Auto als beim vollelektrischen Polestar 2 Long Range Single Motor bekommt man derzeit nicht. Es gibt konventionelle Türgriffe, er fährt sich entspannt (nicht E-Auto-typisch mit viel Karacho) und kommt ohne Design-Spompanadeln aus. Die Reichweite ist top und das Nachladen ebenso. Verbesserungspotential gibt es dennoch. Der Test!
Seit meinem letzten Bericht hat sich einiges getan. Polestar hat den 2024 Polestar 2 LRSM in Sachen Effizienz, Lade- sowie Motorleistung ein ordentliches Stück weiterentwickelt. Aus Front- wurde Heckantrieb, aus 231 PS und 330 Nm Drehmoment wurden 299 PS und 490 Nm. Und damit hat der 2WDler nun auch den Wumms, den ich bislang vermisst habe. 6,2 statt den bisherigen 7,4 s/0–100 km/h sind ein deutlicher Unterschied und eine große Freude für mich. Der Wermutstropfen doch nicht zum Dual Motor (4,5 s/0–100 km/h) gegriffen zu haben, fällt somit kleiner aus. Auch weil Polestar nun alle Modelle 205 km/h schnell fahren lässt, anstatt die Zweirad getriebenen Modelle wie bisher bei 160 km/h einzubremsen.
So fährt sich der 2024 Polestar 2 Long Range Single Motor
Die Lenkung fühlte sich an meinen ersten Tagen mit dem Polestar 2 Facelift sehr synthetisch an. Also künstlich, nicht wirklich direkt mit den Rädern verbunden, und mit zu hohen Rückstellkräften. Doch schneller als gedacht, hatte ich mich daran gewöhnt. Das Lenkgefühl war dabei stets auf „Standard“ eingestellt, das empfand ich noch am realistischsten. Das Fahrwerk ist eindeutig auf der härteren Seite zu Hause. Ein Glück, dass am Testwagen die rollwiderstandsarmen 19-Zöller (245/45R19) montiert waren und nicht die aufpreispflichtigen 20-Zöller (+1.200 €). Damit wäre, wenn nicht auch der Abrollkomfort, auf jeden Fall die Reichweite geringer.
500 km Stadt-Reichweite im 2024 Polestar 2 LRSM!
Ich fuhr nämlich die Variante mit der größten WLTP-Reichweite. Bis zu 655 Kilometer sollen im gemischten Betrieb bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 46,5 km/h und 23 °C möglich sein. In der Realität pendelte sich der Verbrauch auf meinen mehr als 250 in der Stadt zurückgelegten Kilometern bei 15,4 kWh/100 km ein. Bei Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad Celsius.
Hier fällt ein deutlicher Unterschied zum Vorfacelift auf, das im Test vor 1,5 Jahren (mit 20-Zöllern wohlgemerkt) 17 bis 20 kWh/100 km verbrauchte. Behutsame Fahrer dürften bei sommerlichen Temperaturen leicht mit 14,5 kWh/100 km auskommen. Bei mir waren zugegeben doch ein paar forsche Ampelstarts dabei.
Weil nunmehr 79 statt wie bisher 75 kWh nutzbar sind, käme ich somit auf eine Stadtreichweite von rund 500 Kilometern. In meinem Fall hätte dies grundsätzlich locker gereicht, um die zweiwöchige Testzeit ohne Nachladen durchzustehen.
2024 Polestar 2 LRSM: 420 km Autobahn-Reichweite!
Dennoch ging es, dieses Testberichts wegen, freilich auch auf die Autobahn. Aufgrund Zeitmangels zwar nicht für einen vollen Check von 100 bis nahezu 0 Prozent Akkustand, doch zumindest für rund 30 Kilometer in die eine Richtung und retour. Schon vorab hat mir Polestar-Österreich Chef Thomas ‚Tom‘ Hörmann 400 Kilometer in Aussicht gestellt.
Kurzer Rückblick: Letztes Jahr verbrauchte der frontangetriebene Polestar 2 LRSM im Test bei 130 km/h nach GPS und 20 °C Außentemperatur 22,2 kWh/100 km und kam somit auf knapp 340 Kilometer reine Autobahnreichweite.
Und tatsächlich ermittelte ich bei meiner diesmaligen Verbrauchsfahrt – eben mit 19 statt 20-Zöllern, wieder mit 130 km/h nach GPS und bei sommerlichen 29 °C – unglaubliche 18,7 kWh/100 km. Daraus ergeben sich – rein rechnerisch – hervorragende 420 Kilometer Reichweite. Damit ist der 2024 Polestar 2 Long Range Single Motor dem Verbrauchskönig Hyundai IONIQ 6 dicht auf den Fersen.
Das Problem mit der Aerodynamik
Doch das wäre nur die halbe Wahrheit. Denn ich möchte euch nicht vorenthalten, dass sich die 18,7 kWh/100 km aus 21,0 kWh/100 Kilometer am Hinweg und 16,4 kWh/100 km am Rückweg zusammensetzen. Der Verbrauch wird hier also offenbar von äußeren Einflüssen stark beeinflusst. Im Falle der Teststrecke (A2 von Wr. Neudorf bis Wr. Neustadt) ging es am Hinweg leicht bergauf und somit am Rückweg bergab. Und auch der Wind wehte – mäßig (2,9–3,0 m/s) – aus Süd-Osten nach Nord-Westen, also nachteilig für den Hinweg gen Süden. Das macht die Langstrecke mit dem Polestar 2 schwer berechenbar. Mal kommst Du 500 Kilometer weit mit einer Ladung, mal nur 350. Das relativiert sich insofern, weil die wenigsten 350 Kilometer am Stück ohne Pause zurücklegen werden und weil das Navigationssystem Ladestationen mit plant. Beim Blick aufs Börserl während des Ladevorgangs hingegen schmerzt ein höherer Verbrauch dann freilich wieder.
Schuld an der beachtlichen Spreizung ist der für eine Limousine unterdurchschnittliche cW-Wert von 0,278. IONIQ 6 (0,21) oder auch das neue Tesla Model 3 (0,219) sind hier deutlich besser gegen Gegenwind aufgestellt.
Länge in m | cW-Wert | Brutto-kWh | Netto-kWh | WLTP-km | |
Citroën ë-C4 X | 4,60 | 0,27 | 54,0 | 51,0 | 421 |
Polestar Polestar 2 | 4,61 | 0,278 | 82,0 | 79,0 | 655 |
Tesla Model 3 | 4,70 | 0,225 | ~82,0 | n/a | 626 |
Tesla Model 3 (2024) | 4,72 | 0,219 | ~79,0 | ~74,0 | 678 |
BMW i4 | 4,78 | 0,24 | 83,9 | 80,7 | 584 |
BYD Seal | 4,80 | 0,219 | 82,5 | n/a | 570 |
Polestar Polestar 4 | 4,84 | 0,261 | 100,0 | 94,0 | 610 |
Hyundai IONIQ 6 | 4,86 | 0,21 | 77,4 | n/a | 614 |
Mercedes-Benz EQE | 4,95 | 0,22 | n/a | 90,56 | 681 |
VW ID.7 | 4,96 | 0,23 | 91,0 | 86,0 | 700 |
Porsche Taycan | 4,96 | 0,22 | 93,4 | 83,7 | 508 |
Audi e-tron GT | 4,99 | 0,24 | 93,4 | 85,0 | 492 |
BYD Han | 5,00 | 0,233 | 85,44 | n/a | 521 |
Tesla Model S | 5,02 | 0,208 | 100,0 | n/a | 723 |
Mercedes-Benz EQS | 5,22 | 0,2 | n/a | 108,4 | 739 |
Kilometer könnte man jedenfalls problemlos machen mit dem 2024 Polestar 2. Er verzichtet zwar auf doppelt verglaste Seitenscheiben, wird aber glücklicherweise nicht unangenehm laut bei höheren Geschwindigkeiten. Laut ist hingegen der Antrieb. Für Tech-Nerds, wie mich, kein Thema. So manch einer könnte sich jedoch am Surren der permanenterregten Synchronmaschine stören. Unbegrenzte Kilometer ließe grundsätzlich auch die Garantie zu, nur leider ist nach zwei Jahren schon Schluss. Immerhin kann sie gegen Aufpreis verlängert werden:
- um 12 Monate für EUR 449,–
- um 24 Monate für EUR 849,–
- um 36 Monate für EUR 999,–
So schnell lädt der 2024 Polestar 2!
Schon bisher legten sämtliche Polestar 2-Modelle die Latte im Segment der 400 Volt-Batteriesysteme hoch, luden mehr kWh in derselben Zeit nach als ähnlich große Batterien anderer E-Autos. Doch was der 2024 Polestar 2 Long Range Single Motor in diesem Test ablieferte, macht mich sprachlos. Zwar verfehlte ich die versprochenen 28 Minuten von 10 auf 80 Prozent um mehr als drei Minuten, doch ich hatte schließlich bei vier Prozent und nicht direkt bei 10 angesteckt. Von vier auf 74 Prozent ging es in 27 Minuten und von fünf auf 75 Prozent in 27,5 Minuten. Vorgabe für den 70-Prozent-Ladehub also in Wahrheit mehr als eingehalten. Top! Möglich macht dies unter anderem die neue Spitzenladeleistung von 205 kW statt der bisherigen 155 kW.
Erstaunlich ist auch, dass er in den ersten 30 Minuten satte 64 kWh „aus“ der Ladesäule zog. Die hatte der BMW i4 M50 (80,7 kWh netto) im Test auch nach 35 Minuten noch nicht erreicht.
Für die Profis unter Euch: Ja, die Ladeverluste spielen hier eine wichtige Rolle und könnten sich deutlich unterscheiden. Was also in jedem einzelnen Auto tatsächlich in der Batterie landet und nicht für das Temperaturmanagement dieser draufgeht, ist ungewiss. Der 2024 Polestar 2 ist hier dank neuestem Siliziumkarbid-Wechselrichter jedenfalls bestens aufgestellt, auch wenn ich dessen geringere Verluste in diesem Fall nicht durch einen vollständigen Reichweitentest (zum Gegenrechnen) belegen kann.
Platzangebot weiterhin überschaubar
Zurück zu etwas „Greifbarerem“: Dem Platzangebot. Dieses ist, im Gegensatz zur Ladeleistung, weiterhin keinesfalls Benchmark. Zwar fühlte ich mich in der ersten Reihe richtig wohl – die Sitze sind zigfach verstellbar und passen richtig gut – doch auf die Rücksitzbank passen dann nur noch Personen mit sehr kurzen Beinen. Dasselbe gilt für das Kofferraumvolumen: 407 Liter sind kein Rekordwert, aber immerhin gibt es einen Frunk mit brauchbaren 41 Litern Fassungsvermögen. Ähnlich lange E-Limousinen gibt es wenige, daher fällt hier der Konkurrenzvergleich mager aus. Der bis auf wenige Millimeter gleichlange Citroën ë-C4 X ist mit 510 Liter Kofferraumvolumen (kein Frunk) angegeben. Einen Vorteil hat der Polestar 2 jedoch: Seine Heckscheibe geht mit auf. Der Zugang zum Kofferraum ist dadurch deutlich praktischer als bei sämtlicher Konkurrenz. Und Familien erfreuen sich an der dritten ISOFIX-Halterung am Beifahrersitz.
Polestar 2 leider nicht günstig
Nun wünschte ich, dass ich, wie letztes Jahr, schreiben kann, dass der Polestar 2 preislich attraktiv sei. Doch leider hat sich der Markt gewandelt und Polestar-2-Fahren muss man sich leisten wollen. Los geht es erst bei 51.190 Euro für den Polestar 2 Standard Range Single Motor mit 272 PS und bis zu 546 km Reichweite nach WLTP. Die größere Batterie (82 statt 69 kWh brutto) gibt es im 2024 Polestar 2 Long Range Single Motor ab 55.890 Euro. Im Falle meines Testwagens kommen noch das Plus-Paket (+4.800 € für harman/kardon®, Panorama-Glasdach, vollelektrisch verstellbare Vordersitze, Lenkradheizung, Sitzheizung hinten, Wärmepumpe, Feinstaubfilter, elektr. Heckklappe, uvm.) als auch das Pilot-Paket (+2.500 €) mit Pixel-LED-Scheinwerfern, adaptivem Tempomat und aktivem Spurhalteassistent hinzu. Macht für das schicke, in „Magnesium“ lackierte Testfahrzeug 63.190 Euro.
Und hier muss ich fairerweise den Vergleich zum größeren Tesla Model 3 ziehen. Das gibt es derzeit (Stand Okt. 2023) bereits ab 44.970 Euro mit 554 km Reichweite (18-Zöller; nicht nach WLTP zertifiziert, nur von Tesla selbst geschätzt). Und das Tesla Model 3 Maximale Reichweite (Allradantrieb inklusive) startet schon bei 52.970 Euro mit 678 Kilometern (18-Zöller; ebenfalls nicht offiziell nach WLTP zertifiziert). Selbst mit den 1.700 Euro teuren 19-Zöllern (629 km nach WLTP) bleibt das Model 3 fast 10.000 Euro unter meinem Polestar 2.
So wundert es nicht, dass von den aktuell etwas mehr als 1.200 in Österreich zugelassenen Polestar 2, der Flottenkundenanteil bei 70 Prozent liegt.
Fazit
Polestar hat nachgebessert, den Polestar 2 technisch ins neue Jahr geholt. Der 2024 Polestar 2 Long Range Single Motor (LRSM) fährt sportlich, sparsam und lädt schnell. Nur beim Preis und der Garantie könnten sie noch nachschärfen, und dann auch gleich noch ein Head-up-Display anbieten. Am überschaubaren Platzangebot hat sich nichts geändert. Der Polestar 2 gewinnt mit dem Facelift jedenfalls für mich an Ecken und Kanten und bleibt mir ein sympathischer Geselle.