Erster Test des vollelektrischen smart #1
Rund um Lissabon durfte ich vergangene Woche den vollelektrischen smart #1, gesprochen „Hashtag One“ (z. Dt. Nummer 1), erstmals ausfahren – obwohl der österreichische Marktstart mit Mai 2023 noch in weiter Ferne liegt. So gut ist der Kompaktwagen aus China wirklich.smart #1: Aus dem Reich der Mitte!
2019 hat Daimler große Anteile der Kleinstwagenmarke an die chinesische Geely Group abgetreten und zudem verkündet, dass die beiden Modelle smart fortwo und smart forfour ab 2020 ausschließlich rein elektrisch vom Band laufen würden. Der erste von Geely entwickelte smart wurde damals für 2022 angekündigt. Nach drei Jahren Entwicklungszeit durfte ich den smart #1 nun tatsächlich rund um Lissabon ausfahren – weit vor dem österreichischen Marktstart im Mai 2023. Zuvor startet er in größeren Ländern, wie zum Beispiel Deutschland. Dort erhalten erste Privatkunden noch in diesem Jahr ihr Fahrzeug – auch damit sich EuroNCAP rechtzeitig dem Stromer annimmt, wie mir smart Europe Vice President, Tilo Schweers, im Gespräch mitteilte. Man hoffe auf fünf Sterne, die dann die Marketing-Abteilung entsprechend verwerten kann.
Der smart #1 wildert bei den Kompaktwagen
Mit den kultigen Kleinstwagen vergangener Tage hat der smart #1 nichts mehr gemein. Mit 4,27 Meter Außenlänge (smart #1 BRABUS: 4,3 m) fährt er ganz klar in der Kompaktwagenklasse vor. Überragt jedoch sämtliche Mitbewerber (e-Soul, Megane, Kona, ID.3, MG4, e-2008, Born) um bis zu 13 Zentimeter in der Höhe. Wie ein Europäer auf Asien-Urlaub blickt der 1,64 Meter hohe #1 auf seine Konkurrenz herab. Einzig das Elektro-SUV MG ZS EV ist mit 1,65 Meter ähnlich hoch.
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Das Resultat: Richtig viel Kopffreiheit, sowohl in der ersten als auch zweiten Sitzreihe. Selbst 2-Meter-Hünen können hier einen Afro tragen, ohne an das serienmäßige Panorama-Glasdach zu stoßen. Ähnliches spielt sich – dank 2,75 Meter Radstand (ID.3 & Born: 2,77 m; MG4: 2,71 m; Megane: 2,69 m) – bei der Beinfreiheit ab. Ein 1-Meter-90 Passagier hinter einem gleichgroßen Fahrer? Kein Problem. Hier berühren die Knie des Mitfahrers gerade so den Fahrersitz. Die Rücksitzbank ist in der Länge verschiebbar, deren 40:60-geteilte Rückenlehne in zig Stufen in der Neigung verstellbar und vom Kofferraum aus umlegbar. Ein Novum in dieser Klasse. Für mehr Langstreckenkomfort – damit die Oberschenkel mehr Auflage haben – dürfte sie dennoch gerne fünf Zentimeter weiter oben montiert sein.
Als einziger seiner Klasse mit Frunk!
Das Kofferraumvolumen gibt smart mit 323 Liter beim Basismodell Pro+ sowie 313 Liter bei allen anderen Modellen (Premium, Launch Edition & BRABUS) mit BeatsAudio™-Soundsystem an. Damit ist der smart #1 im Konkurrenzfeld im letzten Drittel angesiedelt. Aber: Im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern verfügt er über einen Frunk. Zwar einen der kaum der Rede wert ist (15 l), doch ein Ladekabel passt hier allemal hinein. Technisch wäre auch ein viel größerer Frunk möglich, doch dann bräuchte es aktive Motorhauben-Scharniere, die im Crashfall automatisch die Motorhaube anheben würden, um einem einschlagenden Kopf oder der Hüfte mehr Platz zu bieten, erklärt mir Tilo Schweers. Außerdem wäre dies „overengineered“ und in dieser Klasse preislich nicht darstellbar. Ebenso nicht klassenüblich: ISOFIX-Anbindungen gibt es nicht nur hinten zwei Stück, sondern auch auf dem Beifahrersitz.
Alles drin, was es braucht
Vom Fahrersitz aus blickt man stets auf ein 9,2 Zoll großes Instrumentendisplay sowie einen 12,8 Zoll großen Touchscreen. Serie ab Pro+ sind außerdem ein 360-Grad-Kamerasystem, eine 2-Zonen-Klimaautomatik, LED-Scheinwerfer, 19-Zöller, Kunstledersitze samt Sitzheizung und die elektrische Heckklappe sowie das bereits erwähnte Panoramaglasdach. Die Bedienung erweist sich als intuitiv und flüssig, die Materialien, so nicht hinterschäumt, hochwertig lackiert.
Das ebenso bereits erwähnte BeatsAudio™-Soundsystem, ein 10-Zoll-Head-up-Display, Matrix-LED-Scheinwerfer, einen automatischen Einparkassistent, eine Wärmepumpe und einen 22- statt 7,4-kW-Onbord-Lader sowie Ledersitze gibt es ab der zweithöchsten Ausstattung Premium. Die nächsthöhere „Launch Edition“ verfügt lediglich über spezifische (Bold White) Ledersitze, ist in Digital White Metallic lackiert (Dach in Platinum Gold) und ein Emblem mit der Aufschrift „One-of-1000“. Der smart #1 BRABUS legt schon mehr drauf. So wird dank zweitem Motor aus Heck- Allradantrieb, es gibt ein Alcantara®-Lenkrad und Microfaser-Sitze, optional ein rotes Dach, ein leicht schärferes Karosserie-Styling, andere Felgen und einen BRABUS-Fahrmodus für mehr Fahrspaß.
So fährt sich der smart #1
Den smart #1 BRABUS (428 PS, 543 Nm, 3,9 s/0–100 km/h) konnte ich im Zuge dieser ersten Testfahrten leider nicht fahren. Mir wurde ein smart #1 Premium zur Verfügung gestellt. Ich musste mich also mit 272 PS und 343 Nm maximalem Drehmoment zufriedengeben. Macht aber nichts, denn Spaß hatte ich reichlich. Dabei überraschten mich nicht die 6,7 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, sondern vielmehr sein Fahrverhalten. Die Lenkung ist superdirekt, das Fahrwerk nicht übertrieben hart, sondern angenehm komfortabel (es lässt deutlich mehr Restkomfort zu als sämtliche Konkurrenz) und der Heckantrieb legt dem smart #1 von Haus aus eine gewisse Agilität in die Wiege. Heißt: Das Heck drängt beim Gas geben am Kurvenausgang spürbar nach außen, wird vom (abschaltbaren) Stabilitätsprogramm aber brav zurückgehalten. Die Rekuperation kann über das Menü in zwei Stufen eingestellt werden. Für richtiges One-Pedal-Driving könnte die stärkere Stufe – meiner Meinung nach – ruhig noch vehementer verzögern. Schaltpaddles am Lenkrad gibt es leider keine, auch nicht beim smart #1 BRABUS.
Beim smart #1 BRABUS, der des Allradantriebs wegen um rund 100 Kilogramm schwerer ist (1,9 zu 1,8 t), wurde das Fahrwerk vorne leicht adaptiert. Bei der Anhängelast macht dem smart #1 so schnell auch keiner was vor: Alle Modelle ziehen 1.600 Kilogramm. Die Konkurrenz schafft hier oft nicht einmal 1.000 Kilogramm.
So viel verbraucht der smart #1
Nach den in Portugal sehr sportlich gefahrenen 90 Kilometern mit dem smart #1 Premium zeigte mir das Display 20,9 kWh/100 Kilometer an. Bei einer nutzbaren Batteriekapazität von 64,9 kWh leitet sich daraus eine Reichweite von knapp über 300 Kilometer ab. Angegeben ist der smart #1 Premium mit 440 Kilometern Reichweite nach WLTP und 16,7 kWh/100 km Durchschnittsverbrauch ebenfalls nach WLTP, also mit Ladeverlusten. Der smart #1 BRABUS, der nicht nur hinten über eine 200 kW (272 PS) starke, permanenterregte Synchronmaschine (PSM), sondern auch vorne über eine PSM mit 115 kW (156 PS) angetrieben wird, kommt auf 400 Kilometer Reichweite nach WLTP und 17,9 kWh/100 km. Eine Trennkupplung (siehe Hyundai & KIA) oder frei mitlaufende Asynchronmaschine (siehe VW & Tesla), hätten platztechnisch bzw. preislich den Rahmen gesprengt, erklärt mir Schweers. Man nehme hier die Schleppverluste, die sich den WLTP-Zahlen nach in Grenzen halten, in Kauf. In unter 30 Minuten soll es von 10 auf 80 Prozent am Schnelllader gehen. Maximale DC-Ladeleistung: 150 kW. Weitere Batteriegrößen sind in Arbeit. Ob größer und/oder kleiner wurde allerdings nicht verraten. Laderoutenplanung ist in Arbeit, soll bis zum Marktstart im Navi verfügbar sein.
So teuer ist der smart #1 in Österreich
Am smart #1 Pro+, dem Einstiegsmodell, hängt aktuell ein Preisschild von 42.400 Euro. Ich bin gespannt ob smart Österreich diesen Preis bis zum Marktstart im Mai 2023 halten kann. Erste Reservierungen werden ab Dezember 2022 entgegengenommen. Das umfangreichere, von mir gefahrene Premium-Modell, kostet ab 45.900 Euro, die meiner Meinung nach zu vernachlässigende Launch Edition 47.200 Euro. Der smart #1 BRABUS steht derzeit für 49.900 Euro in der Liste. Dafür, dass der smart #1 in China entwickelt wurde und dort auch gebaut wird, kein Schnäppchen. Über die Garantiebedingungen ist leider noch nichts bekannt. Führend ist hier MG mit sieben Jahren auf Fahrzeug, Antriebssystem und Batterie.
Fazit
Der smart #1 deklassiert die Konkurrenz bei Platzangebot, Komfort, Spurtstärke, Ladegeschwindigkeit und Anhängelast. Nur so lassen sich aber auch die mehr deutschen als chinesischen Preise rechtfertigen. So oder so freue mich auf eine ausgiebigere Zeit mit dem Kompaktwagen.
Compliance-Hinweis: Dieser Artikel wurde vom Fahrzeug-Importeur monetär unterstützt.