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Der überholte Nissan LEAF e+ Tekna im Test!

Das wird kein fröhlicher Testbericht. Leider. So sehr ich den 2021 Nissan LEAF e+ Tekna loben möchte, so viele negative Aspekte haben sich in den vergangenen Jahren aufgetan. Ein grundehrlicher Realitäts-Check von Chef-Filou Raphael.

Nissan LEAF e+: Sag leise Baba!

Wir versuchen immer ehrlich zu sein. Zumindest in unseren Artikeln. Das habe ich für mich bei der Gründung von autofilou im Februar 2013 beschlossen und das verlange ich auch von meinen Kollegen. Beispiele für bedingungslose Ehrlichkeit gibt es genügend: Der Honda Jazz mit CVT der vorhergehenden Generation, der Audi A1 oder der Škoda Octavia-Testbericht zum Beispiel.

Die „Meinungsäußerung frei Schnauze“ passt freilich nicht allen. Wir wollen aber auch nicht unbegründet hart sein, sondern versuchen fair zu argumentieren. Und nun trifft es auch den Nissan LEAF, der lange Zeit mein persönlicher Liebling war. Er hat mir E-Autos Ende 2011, Anfang 2012 schmackhaft gemacht. Und ihn habe ich auch die Jahre über an so einigen Stammtischen hart verteidigt. Doch jetzt wäre es Zeit, dem LEAF endlich mal ein ordentliches Update zu verpassen. Verdient hätte er es sich. Nicht nur eine Preissenkung, wie im November 2020 geschehen, sondern mehr als das – um der starken Konkurrenz à la KIA e-Niro oder Škoda Enyaq etwas entgegensetzen zu können.

Der Kaufpreis im Verhältnis zur Reichweite

Mit einem ordentlichen Update meine ich vor allem einen CCS-Anschluss (Combined Charging System) und eine temperierte Batterie. Zumindest diese zwei Punkte sollten beim Nissan LEAF nach 10 Jahren am Markt und weltweit mehr als 500.000 verkauften Einheiten verbessert werden. Außerdem: Wer weiß schon wie lange es CHAdeMO-Ladestationen (CHArge de MOve) in Europa noch gibt?

Aber ja, Nissan wird wohl nicht mehr viel Entwicklungsarbeit in den LEAF stecken, steht doch bereits sein „Nachfolger“, genannt Ariya, in den Startlöchern. Der ist zwar etwas größer als der LEAF und vor allem SUV-iger, aber dann gibt’s endlich auch bei Nissan CCS und temperierte Akkus.

© Nissan

Aber zurück zum LEAF.

Für alle E+-Modelle, also jene mit brutto 62 statt 40 kWh fassender Lithium-Ionen-Batterie, gibt Nissan eine maximale Gleichstrom-Ladeleistung von 100 kW an. Doch weil es in Österreich derzeit nur eine Handvoll CHAdeMO-Schnelllader gibt, die bei 500 Volt 200 statt 125 Ampere Strom liefern und der LEAF auch als e+-Variante eben nur über ein 400 Volt-System verfügt, bleibt es in der Realität bei kurzen Ladepeaks von maximal 73 kW. Langstrecken müssen somit weiterhin mit den üblicheren 50 kW-Chargern in Angriff genommen werden. Zum Vergleich: Während am 200 Ampere-Charger in 30 Minuten 31,5 kWh und somit die halbe Batterie nachgeladen ist, sind es am 125 Ampere-Charger in derselben Zeit nur 22 kWh. Einer der Punkte, warum sich auch der 2021 Nissan LEAF e+ Tekna für längere Strecken disqualifiziert.

Ladeleistung & nachgeladene kWh über die Zeit an vier verschiedenen DC-Ladestationen

Ein weiterer ist die eingangs erwähnte, fehlende Akku-Temperierung. Bei niedrigen Außentemperaturen, wie jetzt im Winter, mag das nicht so eine Rolle spielen. Doch wenn es im Sommer mal 30 Grad hat, dann ist schon beim zweiten Ladestopp in Folge mit schwachen Ladeleistungen zu rechnen. Schade, denn die Ladekurve wäre zumindest am 50 kW-Lader schön flach.

Und selbst zu Hause sieht es mager aus: Zwar könnte der LEAF über eine Phase mit 6,6 kW geladen werden, doch das ist, der Schieflast des dreiphasigen Energienetzes wegen, nicht gestattet und so bekommt er von meiner elf kW-Wallbox lediglich 3,7 kW. Dementsprechend lange dauert das Laden zu Hause.

2021 Nissan LEAF e+ Tekna Test Review Fahrbericht white weiß

Und wer jetzt behauptet „OK, der LEAF ist ja mit 385 km Reichweite nach WLTP angegeben und nach zweimal je – sagen wir – 300 Kilometer auf der Autobahn darf die Batterie schon mal heiß werden.“, der irrt. Denn bei nach GPS gefahrenen 120 km/h verbraucht der LEAF e+ Tekna zwischen 24 und 26 kWh/100 km. Deshalb sind nicht mehr als 200 bis 220 Kilometer (im Winter) möglich. Und selbst wer 90 km/h nach GPS fährt, kommt im Winter nicht weiter als maximal 290 km. Hier braucht der LEAF immer noch 19 kWh/100 km.

Zum Vergleich: Der kleinere KIA e-Soul hat sich selbst bei 120 km/h weniger als die 19 kWh/100 km reingezogen und das größere Tesla Model 3 bei 135 km/h nach GPS „nur“ 23 kWh/100 km.

Das Traurige dabei

Schon bei 120 km/h sind die Stromkosten für den Fahrbetrieb größer als die eines vergleichbaren Diesel-Fahrzeugs. 25 kWh kosten im besten Fall fünf Euro, unterwegs aber eher 7,5 Euro. Selbst größere Diesel-SUV können da – bei einem Verbrauch von sechs bis 6,5 Litern – leicht mithalten. Wer also bereits ein solches besitzt und dessen Langstreckentauglichkeit genießt, wird nie auf den LEAF umsteigen. Schade, aber mit ihm allein käme die E-Mobilität nicht weiter in Fahrt.

Auch die restlichen Aspekte, die moderne Fahrzeuge mit sich bringen, checkt der Stromer nicht alle ab. In der Tiefe verstellbares Lenkrad? Fehlanzeige. Stufenfreier, ladeebener Kofferraum? Fehlanzeige. Leuchtstarkes LED-Abblendlicht? Fehlanzeige. Schnelle Sitzheizung? Fehlanzeige. Außerdem ist der Innenspiegel für Menschen ab 1,85 Meter Größe zu tief montiert, sodass der Blick nach rechts vorne schwer eingeschränkt ist – auch wenn der Fahrersitz ganz unten ist.

2021 Nissan LEAF e+ Tekna Test Review Fahrbericht white weiß

Gibt’s auch Positives zu berichten?

Ja, ich habe tatsächlich Positives gefunden: Der Antritt (6,9 s), den der 218 PS starke E-Motor dem 1,7 Tonnen schweren LEAF beschert, ist mehr als ausreichend für das tägliche Commuten. Auch wenn die Vorderräder diesen Spaß wohl maximal zwei Saisons lang mitmachen. Das E-Paddel, also die Möglichkeit den Wagen mit einem Pedal zu bewegen, ist sauber integriert. Auch das Fahrwerk ist gut gelungen, selbst wenn es für meinen Geschmack eine Spur weicher sein dürfte. Sportwagen-Feeling wie im Honda Honda e oder MINI Cooper SE kommt deshalb aber keines auf.

Ebenso ohne Fehl und Tadel funktionierte bei mir im Test das „Assisted Driving“ – zumindest auf der Autobahn. Dort hält der LEAF brav mittig die Spur. Weiters erfreut auch die Verkehrszeichenerkennung. Selbst bei Schlechtwetter und in der Nacht hatte der LEAF keine Probleme damit. Und die Kamera im rechten Außenspiegel ist praktisch, um unerwünschten Kontakt mit Randsteinen vorzubeugen.

Die Platzverhältnisse sind sowohl auf der Rückbank als auch im Kofferraum (385 l beim Tekna, sonst 400 l) hervorragend – kein Wunder bei 4,49 Metern Außenlänge.

Und was kostet er jetzt?

Nissan hat, wohl der marktzerstörenden Preispolitik des VW ID.3 geschuldet, den Preis des LEAF Anfang November 2020 drastisch gesenkt. So kostet der vollausgestattete 2021 Nissan LEAF e+ Tekna nicht mehr 46.500 Euro, sondern nur noch 42.050 Euro. Der Testwagen kommt dank Zweifarbenlack (+1.050 €) und intelligenter Einparkautomatik ProPILOT Park (+1.200 €) auf 44.300 Euro.

2021 Nissan LEAF Preise Österreich Austria Prices
© Nissan (Illustration by autofilou)

Der ähnlich lange Hyundai IONIQ (311 km nach WLTP) kostet in Topausstattung ab 42.490 Euro. Wer LEAF fahren möchte, der kann dies ab 29.990 Euro tun (Visia, 40 kWh, 270 km). Den großen Akku gibt’s ab 38.350 Euro im Nissan LEAF e+ Acenta.

Fazit

Der 2021 Nissan LEAF e+ Tekna glänzt im Test mit hervorragendem Platzangebot, gutem Durchzug und umfangreicher Ausstattung zu fairem Preis. Dieser relativiert sich jedoch spätestens dann, sobald der „seltene“ Ladeanschluss und die untemperierte Batterie auf die immer stärker werdende Konkurrenz treffen. Dann steht es um den Werterhalt plötzlich mau.

Seien wir abgesehen davon mal ehrlich: Egal wie schlecht ich in diesem Test über den aktuellen Nissan LEAF e+ spreche, eines müssen wir uns eingestehen. Ohne seinen weltweiten Erfolg (>500.000 verkaufte Einheiten) sähe die Elektrofahrzeug-Welt aktuell sicherlich anders aus. Und ja, ein Teil dieses Kuchens gehört freilich auch Renault und Tesla. Am Ende des Tages freue ich mich dennoch bereits auf den Nissan Ariya, der in Europa Ende 2021 startet. Dann auch mit temperierter Batterie und CCS-Anschluss.

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